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Irrgarten Der Liebe

Titel: Irrgarten Der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otto Julius Bierbaum
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rein die Winde wehn.
    Auch heißt es, man sei dort oben näher
    Dem Herrgott, dem stummen Herunterspäher,
    Und wunderlich blicke sichs in die Tiefe
    Aus der himmlischen Herrgottsperspektive.
     
    So macht ich mich ans Steigen keck,
    Hub wacker die stadtmüden Füße vom Fleck,
    Und stieg und stieg.
    Nicht eben lang:
    Es mündete der Wendelgang
    In ein Gemach, so nett und rein,
    Als heimte drin ein Mädel fein,
    Deß zarte Patschhand froh und frisch
    Gern regt den Federflederwisch.
     
    Blank Tisch und Diele, weiß das Bett,
    Ein Epheustock am Fensterbrett;
    Von dem kroch friedsam das Gerank
    Um einen Wanduhrkasten schlank,
    Aus dem es feierlich ticktackte.
     
    Auf der Kommode die gezackte
    Schneeweiße Decke sonder Tadel
    Verriet die fleißige Häkelnadel.
    Auch Vasen viel und bunte Gläser.
    Darinnen graue Raschelgräser
    Aus Feldblumsträußen, längst verdorrten;
    Nippsächelchen von allen Sorten,
    In einem Glasschrank schön plaziert;
    Ein Bücherbrettchen, braun poliert;
    Die Bücher drauf in Goldschnitt fein; –
    Macht wohl »Die deutsche Jungfrau« sein,
    Kochbücher auch und auch Traktätchen.
     
    Sag eins: was wohnt hier für ein Mädchen?
     
    Ich sah mich um: Kam niemand her,
    War, wie wenns ausgestorben wär
    Und wär doch jemand in der Nähe.
    Und wie ich durch die Thüre spähe,
    Die in ein Nebenstübchen führt,
    Werd ich von hinten angerührt;
    Und bis zum Tod vergeß ich nicht
    Des alten Jüngferchens Gesicht,
    Das plötzlich in der Stube stund.
    Ein wenig schmerzlich schien der Mund,
    So säuerlich und lippenschmal;
    Stand drauf geschrieben manche Qual,
    Doch Liebe auch und Gütigkeit.
    Zur Nase wars ein wenig weit,
    Schien mirs, von diesem Lippenbogen.
    Streng war und länglich sie gezogen
    Von einer Stirne groß und klar.
    Still, wie ein graues Taubenpaar,
    Die Augen unter dünnen Brauen.
    Sie träumten in gelassenem Schauen,
    Als sähen sie nichts um sich her.
    Als sähen weiter sie und mehr –:
    Ein reiches Land voll Friedensglanz.
    Vom Scheitel fiel, ein loser Kranz,
    Aschblondes Haar zur Schulter weich.
     
    Die Kleidung war nicht arm, nicht reich.
    Aus keiner Mode kam sie her,
    Wie wenn aus keiner Zeit sie wär.
    Ganz wunderlich! Antik beinah,
    Wie eine Gürteltunika,
    Doch ärmellang und gar zu glatt.
    Von Farbe war sie bläulich matt,
    Wie ausgewaschen.
     
    Wortelos
    Stand ich und schaute, schaute bloß.
    Gewöhnlich alles, ganz und gar,
    Und doch im Tiefsten – Wunder war.
    Ein zarter Glanz, ein dünner Duft
    Lag wie vibrierend in der Luft,
    Und aus dem leeren Weben höre
    Aus alter Zeit ich leise Chöre,
    Uralt, urfern und urvertraut ...
    Da hat sie groß mich angeschaut,
    Als fragte sie: Was willtu hier,
    Du Mensch von unten, im Revier
    Der hohen Stille ...? ... Doch ihr Mund
    That Frage nicht und Deutung kund.
     
    Als wär er stumm. – Mir wurde bang.
     
    Da, plötzlich, von den Lippen klang
    Es lind: »Der Vater kommt.« Und, weiß
    Von Haar und Bart, stand still ein Greis
    Im Thürgevierte. – Wundersam:
    Mich wieder Staunen überkam.
    Mir wars, als kennt ich lange ihn,
    Als hätt ich einst auf seinen Knien
    Gesessen in der Kindheit Jahren,
    Gezaust ihn in den weißen Haaren,
    Indes er tiefe Worte sprach.
    Die klangen lang im Herzen nach,
    Bis Gassenlärm sie draus vertrieb;
    Oh, Worte heimlich, heilig, lieb ...! ...
     
    Kannt ich den Türmer? Wie ich sann,
    Kam näher her, gebückt, der Mann
    Und fragte mich, was mein Begehr
    Und meines Kommens Ursach' wär.
     
    »Von oben säh ich gern die Stadt,
    Der ich in innrer Seele satt!«
    Sprach ich. Da lächelte er eigen:
    »Ich will dir alles, alles zeigen.
    Doch bist du auch von Schwindel frei?«
    »Meint nicht, daß gar so hoch ich sei.«
    Erwidert ich. »Nun, eben g'nung;
    Es huben schnell dich Beine jung.
    Ich brauchte viele tausend Jahr,
    Bis ich hier angekommen war.
    Altherrgottsruh heißt dieser Turm,
    Hoch steht er über Staub und Sturm,
    Hoch steht er steinern aufgericht,
    Die Menschen sehn den Türmer nicht.
    Sie haben hier zu guterletzt
    Hübsch hoch und weit mich weggesetzt,
    Dieweil sie meiner überdrüssig;
    Auch war ich wirklich überflüssig;
    Und schließlich, grad wie du, mein Sohn,
    Recht satt hatt' ich den Trubel schon.
    Von oben läßt sichs noch besehn,
    Muß man nicht mitten drinnen stehn.«
    Da faßte mich ein Ahnen an:
    »Wer bist du denn, du alter Mann?«
     
    »Ich? Oh, nichts, das der Frage wert,
    Ein weißes Haupt, höchst ungeehrt.
    Wie sagt Ihr doch ...? ...Na ... ein Rentier
    Mit Sorgenstuhl und

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