Irrsinn
Jasmine. »Geld bedeutet ihnen nichts. Es ist nämlich nicht ihres.«
»Es ist das Geld der Steuerzahler«, sagte Curly. »Deines und meines.«
Billy trug zwar auch gelegentlich einen Kommentar bei, beschränkte sich jedoch im Allgemeinen aufs Zuhören. Er war vertraut mit solchen Unterhaltungen und spürte, wie ihm dabei merkwürdigerweise warm ums Herz wurde.
Der Kaffee war stark und gut. Der Kuchen schmeckte wunde r bar zitronig und war mit leicht gebräunter Baisermasse bedeckt.
Billy war überrascht, wie ruhig er sich fühlte, einfach indem er an der Theke saß und zuhörte.
»Was die totale Geldverschwendung angeht«, sagte Goldzahn, »braucht man sich bloß diesen verfluchten Schwachsinn anschauen, den sie an der Landstraße zusammenzimmern.«
»Ach, meinst du dieses Ding gegenüber von der Kneipe, das man verbrennen wird, sobald es fertig ist?«, fragte Arvin.
»Hört mal, es ist doch Kunst « , rief Jasmine spöttisch in Eri n nerung.
»Ich weiß nicht, wie so was Kunst sein soll«, sagte Du. »Ist Kunst nicht was, das irgendwie Bestand hat?«
»Der Kerl macht doch Millionen damit, dass er seine Zeic h nungen davon verkauft«, berichtete Curly. »Was Merchandising angeht, ist der ein Genie.«
»Kann sich eigentlich jeder einfach so als Künstler bezeic h nen?«, fragte Goldzahn. »Muss man da nicht ’ne Prüfung oder so was bestehen?«
»Er bezeichnet sich als eine spezielle Sorte Künstler«, sagte Curly.
»Speziell!«, höhnte Arvin. »Der kann mich mal am Arsch lecken.«
»Süßer«, ermahnte ihn Jasmine, »nichts für ungut, aber das wird selbst der nicht tun.«
»Genauer gesagt, bezeichnet er sich als Performancekünstler«, fuhr Curly fort.
»Was soll das denn heißen?«
»Das soll heißen«, erläuterte Curly, »dass seine Kunst wie eine Darbietung im Theater ist, die keinen Bestand hat. Sie soll irgendwas bewirken, und wenn das gelaufen ist, ist es vorbei.«
»Was wird man denn dann in hundert Jahren im Museum sehen?«, überlegte Du. »Leeren Raum?«
»Dann gibt es gar keine Museen mehr«, sagte Jasmine.
»Museen sind nämlich was für Menschen. Die gibt’s dann auch nicht mehr, bloß noch vermenschlichte Schweine.«
Billy war ganz still geworden. Er hatte die Kaffeetasse geh o ben und schon die Lippen geöffnet, schaffte es jedoch nicht, einen Schluck zu nehmen.
»Süßer, ist etwas mit dem Kaffee nicht in Ordnung?«, fragte Jasmine.
»Nein. Nein, der ist gut. Ich möchte sogar noch einen. Habt ihr den auch als doppelte Portion?«
»Wir schenken die dreifache Portion in einem speziellen Plastikbecher aus. Heißt bei uns ›Volle Dröhnung‹.«
»Ich nehme einen davon«, sagte Billy.
68
Ein offener Nebenraum des Restaurants diente als Interne t café. Dort boten sechs Computer Zugang zum World Wide Web.
An einem der Rechner saß ein Trucker und starrte gebannt auf den Bildschirm, während er mit Tastatur und Maus manövrierte. Entweder überprüfte er die Liefertermine seiner Firma, oder er war mit einem Onlinespiel beschäftigt. Vielleicht surfte er auch auf einer Porno-Website.
Die Computer waren an kleine Tische geschraubt, auf denen auch Platz für das mitgebrachte Essen war. Billy stellte seine Dröhnung in den runden Ausschnitt am Rand der Platte.
Er kannte den Namen der Website von Valis nicht, weshalb er erst einmal nach Performancekunst ganz allgemein suchte, bis er auf einen Link zu www.valisvalisvalis.com stieß.
Der Künstler unterhielt eine ebenso umfangreiche wie einl a dende Site. Billy rief ein farbenprächtiges Video mit der australischen Brücke auf, an der Valis zwanzigtausend rote Luftballons befestigt hatte. Man sah sie allesamt gleichzeitig platzen.
Anschließend studierte er künstlerische Statements über einzelne Projekte. Sie waren nur teilweise verständlich, da sie in dem gespreizten, unmusikalischen Jargon der modernen Kunsttheorie abgefasst waren.
In einem hochgestochenen Interview erklärte Valis, jeder große Künstler sei ein »Menschenfischer«, denn er wolle »die Seele« jener, die sein Werk betrachteten, »berühren, ja gefangen nehmen « .
Seinen Fans half Valis, die Bedeutung seiner Projekte zu verstehen, indem er eine jeweils dreizeilige »spirituelle Orienti e rungshilfe« bot. Jede Zeile enthielt drei Wörter. Billy studierte mehrere der kurzen Texte.
Aus dem Portemonnaie zog er das Blatt Papier, auf dem er die sechs Zeilen ausgedruckt hatte, die aus den drei Dokumenten auf der roten Diskette in Ralph Cottles toten
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