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Irrsinn

Irrsinn

Titel: Irrsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Händen stammten. Er faltete es auseinander und strich es auf dem Tisch glatt.
    Die erste Zeile: Weil auch ich ein Menschenfischer bin.
    Die fünfte Zeile: Meine letzte Tötung: Donnerstag um Mitte r nacht.
    Die sechste Zeile: Dein Selbstmord: bald danach.
    Die zweite, dritte und vierte Zeile ähnelten erschreckend den »spirituellen Orientierungshilfen«, die Valis seinen Bewund e rern bot, damit sie seine Werke besser würdigen konnten.
    Die erste Zeile dieser kurzen Texte bezog sich immer auf den Stil des Projekts beziehungsweise der Performance, einen Ausdruck, den Valis gern durch Darbietung ersetzte. In diesem Fall bestand der Stil aus Grausamkeit, Gewalt, Tod.
    Die zweite Zeile fasste die Techniken zusammen, mithilfe derer der Künstler sein Werk ausgeführt hatte. Bei Billy hieß die Technik Bewegung, Geschwindigkeit, Aufprall.
    Die dritte Zeile beschrieb die Medien, mit denen Valis jeweils arbeitete. Bei der momentanen Darbietung wurden als Medien Fleisch, Blut, Knochen verwendet.
    Manche der erfolgreichsten Serienmörder waren ruhelose Vagabunden, die auf ihren Streifzügen große Strecken zwischen ihren Taten zurücklegten.
    Der Irre sah sein Morden nicht als Spiel. Auch als Darbietung sah er es nur teilweise. Das zentrale Element für ihn war die Kunst darin.
    Auf den Websites über Performancekunst hatte Billy erfahren, dass dieser Künstler des Todes seit jeher kamerascheu war. Valis behauptete zu meinen, die Kunst solle wichtiger als der Künstler sein. Es gab nur wenige Fotos von ihm.
    Durch diese Philosophie genoss er Ruhm und Reichtum – und dennoch eine gewisse Anonymität.
    Auf www.valisvalisvalis.com fand sich ein offizielles Porträt. Es handelte sich dabei nicht um ein Foto, sondern um eine realistische, detaillierte Bleistiftzeichnung, die der Künstler selbst angefertigt hatte.
    Vielleicht absichtlich war Valis auf dem Porträt nicht ganz naturgetreu dargestellt, doch Billy erkannte ihn sofort. Er war der Fremde, der eines Montagnachmittags geduldig dagesessen hatte, während Ned Pearsall ihn mit der Geschichte von Henry Friddles Tod durch Gartenzwerg ergötzte.
    Sie sind ein interessanter Bursche, Billy.
    Schon damals hatte der Irre offenbar fast alles über Billy gewusst, obwohl er sich unwissend gestellt hatte. Aus Gründen, die nur Valis kannte, hatte er ausgerechnet Billy Wiles beobac h tet und für diese Darbietung ausgewählt.
    Nun bemerkte er zwischen den Links unterhalb des Porträts einen mit dem Titel HALLO, BILLY.
    Obwohl er nicht mehr viel Kapazität für Überraschungen besaß, starrte er die beiden Wörter eine geschlagene Minute lang an.
    Endlich bewegte er die Maus und klickte auf den Link.
    Das Porträt verschwand, und auf dem Bildschirm erschien eine Anweisung: PRIVATBEREICH – PASSWORT EINGEBEN.
    Billy trank einen Schluck Kaffee. Dann tippte er WILES ein und betätigte die Eingabetaste.
    Sogleich erhielt er eine Antwort: DU BIST SEINER WÜRDIG.
    Der Satz blieb ganze zehn Sekunden auf dem Bildschirm, dann wurde dieser dunkel.
    Nur das, nicht mehr.
    Das mit Bleistift gezeichnete Porträt tauchte wieder auf. Die Links darunter enthielten nun nicht mehr den Gruß HALLO, BILLY.
     

69

    Keine einzige Lampe erhellte das gewaltige Relief. Die Räder, Schwungräder, Kurbelstangen, Verbindungsstäbe, Rohre und Armaturen verschwanden oben in der Dunke l heit.
    Gepeinigt und bedrängt führte die riesenhafte menschliche Gestalt im Dunkeln ihren lautlosen Kampf.
    Das gelb-violette Zelt stand ebenfalls im Finstern, doch in den Fenstern des großen Wohnmobils glomm ein einladender, bernsteinfarbener Schein.
    Billy lenkte den Wagen erst an den Rand der Landstraße und betrachtete das Fahrzeug aus einiger Entfernung.
    Die sechzehn Künstler und Handwerker, die das Relief unter der Leitung von Valis erbauten, wohnten nicht an Ort und Stelle. Man hatte für sie Zimmer im Vineyard Hills Inn gebucht, sechs Monate lang.
    Valis hingegen verbrachte die ganze Zeit hier. Sein Wohnm o bil war an die Strom- und Wasserversorgung angeschlossen.
    Die Schmutzwassertanks wurden zweimal pro Woche von einer ortsansässigen Firma ausgepumpt. Deren Besitzer, Glen Gortner, war stolz auf die damit verbundene Publicity, obwohl er unter vier Augen die Meinung äußerte, das Relief sei etwas, das auch weggepumpt gehöre.
    Billy wusste noch nicht, ob er wirklich anhalten oder das Wohnmobil nur umrunden würde, als er seinen Wagen eine leichte Böschung hinab in die Wiese lenkte. Dann fuhr er in einem weiten

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