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Irrsinn

Irrsinn

Titel: Irrsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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vorhersehen konnte.
    Der Verrat seines Freundes, wenn es sich tatsächlich darum handelte, zwang Billy, so berechnend vorzugehen wie ein Schuldiger, obgleich er nichts Unrechtes getan hatte.
    In dieser Situation lag es nahe, dass er vorübergehend eine Menge Schmerz und Wut empfand, doch dabei blieb es nicht. Der Groll, der darauf folgte, stieg so rasch und mächtig in ihm auf, dass er schwer schlucken musste.
    Die Zettel zu vernichten und ihr Vorhandensein zu leugnen, ersparte es Lanny womöglich, gefeuert zu werden, doch Billys Lage wurde dadurch schlimmer. Ohne Beweise hatte er Probl e me, die Polizei davon zu überzeugen, dass seine Geschichte stimmte und dass aus ihr womöglich Rückschlüsse auf die psychische Struktur des Täters gezogen werden konnten.
    Wenn er sich jetzt meldete, lief er Gefahr, als geltungssüchtig abgetan zu werden oder als einer jener Barkeeper, die selbst ihre besten Gäste waren. Womöglich galt er sogar als verdächtig.
    Betroffen von dem letzten Gedanken, stand er eine Weile stocksteif da und dachte darüber nach. Verdächtig.
    Sein Mund war ausgetrocknet. Die Zunge klebte am Gaumen.
    Er ging zum Spülbecken, um sich ein Glas kaltes Wasser einlaufen zu lassen. Zuerst schaffte er es kaum, einen Mund voll hinunterzuschlucken, doch dann leerte er das Glas mit drei langen Zügen.
    Das kalte, viel zu schnell getrunkene Wasser verursachte einen kurzen, scharfen Stich in der Brust, gefolgt von Übelkeit. Er stellte das Glas in den Ablauf und beugte sich übers Spülbecken, bis das flaue Gefühl verflogen war.
    Dann klatschte er sich kaltes Wasser ins Gesicht und wusch sich mit warmem die Hände.
    Er ging in der Küche auf und ab, setzte sich kurz an den Tisch, stand jedoch gleich wieder auf.
    Um halb neun stand er am Telefon und starrte es an, obwohl er allen Grund zu der Annahme hatte, dass es nicht läuten würde.
    Zehn Minuten später benutzte er sein Handy, um Lannys Mobilfunknummer anzurufen, damit das Festnetztelefon nicht belegt war. Wieder meldete sich nur die Mailbox.
    Es war viel zu warm in der Küche. Er hatte das Gefühl, fast zu ersticken.
    Um Viertel vor neun trat Billy auf die hintere Veranda. Er brauchte frische Luft.
    Da er die Tür hinter sich weit aufließ, konnte er das Telefon hören, wenn es läutete.
    Im Osten breitete sich Indigo aus, oben und im Westen schi l lerten noch leicht die von Orange bis Grün reichenden Farben des Sonnenuntergangs.
    Die Bäume ringsum standen in einem Dunkel, das immer tiefer wurde. Wenn ein feindlicher Beobachter sich dort zw i schen Farne und Philodendren duckte, hätte man die Witterung eines Hundes gebraucht, um ihn dort wahrzunehmen.
    Unzählige Kröten, samt und sonders unsichtbar, hatten in der Dämmerung zu quaken begonnen, doch aus der Küche drang kein Laut.
    Vielleicht brauchte Lanny nur ein wenig mehr Zeit, um sich auszudenken, wie er die Wahrheit hinbiegen wollte.
    Bestimmt dachte er nicht ausschließlich an sich selbst. Er konnte doch nicht so rasch und vollständig zu einem reinen Egoisten geworden sein.
    Er war doch immer noch ein Cop, selbst wenn er faul war und an sich verzweifelte. Früher oder später musste er erkennen, dass er selbst nicht damit leben konnte, durch eine Behinderung der Ermittlungen zu weiteren Morden beizutragen.
    Der breite Tintenfleck im Osten erfasste bald den Himmel über Billy, während ein Streifen im Westen ganz aus Feuer und Blut bestand.
     

9
    Um neun verließ Billy die Veranda und ging ins Haus. Er zog die Tür zu und schloss ab.
    In nicht mehr als drei Stunden entschied sich ein Schicksal, ein Tod wurde verfügt, und wenn der Täter einem bestimmten Schema folgte, dann wurde jemand noch vor der Morgendä m merung ermordet.
    Billys Autoschlüssel lag auf dem Esstisch. Er nahm ihn in die Hand.
    Sollte er sich auf die Suche nach Lanny Olsen machen? Was er vorher für Groll gehalten hatte, war lediglich Ärger gewesen. Nun spürte er echten Groll, dunkel und bitter. Er wünschte sich dringend eine Konfrontation.
    Bewahre mich vor dem Feind, der etwas zu gewinnen hat, und vor dem Freund, der etwas zu verlieren hat.
    Lanny war tagsüber im Dienst gewesen. Nun hatte er frei.
    Wahrscheinlich hatte er sich zu Hause verkrochen. Falls er doch nicht dort war, gab es nur eine Handvoll Orte – Esslokale, Kneipen, Häuser von Freunden –, wo man ihn finden konnte.
    Ein Gefühl der Verantwortlichkeit und eine seltsam verzwe i felte Hoffnung hielt Billy in seiner Küche neben dem Telefon gefangen. Einen

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