Irrsinn
ein Gesicht über Billys Kopf, der sich nun ganz im Freien befand. Es hatte keinerlei erkennbare Züge. Ein von einer Haube verhülltes Phantom.
Billy blinzelte, um den Schleier vor seinen Augen loszuwe r den.
Keine Haube. Eine dunkle Skimaske.
Trotz der Dunkelheit sah Billy den fiebrigen Blick, der hinter den Augenschlitzen glänzte.
Irgendetwas wurde auf die untere Hälfte seines Gesichts gesprüht, von der Nase abwärts. Es roch feucht, kalt, stechend und doch süß. Ein medizinischer Geruch.
Bestürzt rang Billy erst nach Luft. Als er dann versuchte, den Atem anzuhalten, war es zu spät. Scharfe Dämpfe brannten in seinen Nasenlöchern. Speichel überflutete seinen Mund.
Das maskierte Gesicht schien immer näher zu kommen. Wie ein dunkler Mond mit Augenkratern sah es aus.
16
Die Wirkung des Betäubungsmittels ließ nach. Wie das Spannseil einer Trommel zog der Schmerz Billy allmä h lich aus der Bewusstlosigkeit.
In seinem Mund schmeckte es, als hätte er Ahornsirup getru n ken und mit Bleichmittel nachgespült. Süß und bitter. Wie das Leben selbst.
Eine Weile wusste er nicht, wo er sich befand. Anfangs war ihm das egal. Aus einem Meer der Stumpfheit aufgestiegen, fühlte er sich gesättigt mit unnatürlichem Schlaf und sehnte sich danach, zu ihm zurückzukehren.
Mit der Zeit zwang ihn der unerbittliche Schmerz, sich mit seiner Lage zu beschäftigen, die Augen offen zu lassen, seine Wahrnehmungen zu analysieren und sich zu orientieren. Er lag mit dem Rücken auf einer harten Oberfläche – dem Parkplatz der Kirche.
Mühsam sog er den schwachen Geruch von Teer, Öl, Benzin ein. Den leicht nussartigen, modrigen Duft des Eichbaums, der über ihm in der Dunkelheit die Äste ausbreitete. Seinen eigenen sauren Schweiß.
Als er sich mit der Zunge über die Lippen fuhr, schmeckte er Blut.
An den Fingern, mit denen er sich das Gesicht abwischte, blieb eine zähe, schleimige Substanz kleben, bei der es sich wah r scheinlich um eine Mischung aus Schweiß und Blut handelte. Was es tatsächlich war, konnte er im Dunkeln nicht sehen.
Die Schmerzen traten hauptsächlich in der Kopfhaut auf.
Zuerst nahm er an, sie rührten noch davon, dass man ihm fast ein großes Büschel Haare ausgerissen hatte.
Ein langsam pulsierender Schmerz, durchsetzt mit einer Reihe scharfer Stiche, strahlte in den ganzen Kopf aus. Er kam allerdings nicht vom Scheitel, wo das Haar in Mitleidenschaft gezogen worden war, sondern von der Stirn.
Als Billy die Hand hob, um zögernd die betroffene Stelle zu betasten, spürte er, dass etwa einen Daumenbreit unter dem Haaransatz etwas Steifes, Stachliges steckte. Obwohl die Berührung nur ganz leicht war, löste sie einen zuckenden Schmerz aus, der ihn aufschreien ließ.
Bist du bereit für deine erste Wunde?
Billy beschloss, die Erforschung der Wunde aufzuschieben, bis er etwas sehen konnte.
Tödlich war der Schaden offenkundig nicht. Der Irre hatte nicht vorgehabt, ihn umzubringen, sondern ihm nur wehtun wollen, vielleicht so, dass eine Narbe blieb.
Inzwischen war Billys widerstrebender Respekt vor seinem Gegner so gewachsen, dass er von diesem nicht erwartete, Fehler zu machen, zumindest keine gröberen.
Billy setzte sich auf. Ein scharfer Schmerz breitete sich über seine Stirn aus, was sich wiederholte, als er mühsam auf die Beine kam.
Schwankend stand er da und blickte sich um. Der Angreifer war verschwunden.
Hoch oben in der Nacht zog ein Bündel beweglicher Sterne, die Positionslichter eines Düsenjets, fauchend nach Westen. Angesichts dieser Route handelte es sich wahrscheinlich um einen Militärtransport, der in ein Kriegsgebiet unterwegs war. Für Billy herrschte auch hier unten Krieg.
Er zog die Tür des Wagens auf.
Der Fahrersitz war mit zerbröckeltem Sicherheitsglas übersät. Billy nahm eine Pappschachtel mit Papiertaschentüchern aus dem Handschuhfach, um das stachlige Zeug damit vom Polster zu bürsten.
Als er nach dem Zettel suchte, der auf dem Zündschloss geklebt hatte, war dieser fort. Offenbar hatte der Irre ihn mitgenommen.
Den heruntergefallenen Autoschlüssel fand er unter dem Bremspedal, den Revolver auf dem Boden vor dem Beifahre r sitz.
Er durfte die Waffe also für den weiteren Verlauf des Spiels behalten. Der Irre fürchtete sie nicht.
Die Wirkung der Substanz, mit der Billy besprüht worden war – Chloroform oder irgendein anderes Betäubungsmittel –, klang nur langsam ab. Als er sich vorbeugte, wurde ihm schwindlig.
Billy zog die Tür
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