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Irrsinn

Irrsinn

Titel: Irrsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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als er den Blick über die zahllosen Orte schweifen ließ, an denen jemand sich verbergen konnte, getarnt von wenig mehr als gleißendem Sonnenlicht.
    »Sie werden ihn nicht entdecken«, sagte Cottle, »und es wird ihm gar nicht gefallen, dass Sie es versuchen. Bitte, setzen Sie sich doch wieder!«
    Billy blieb am Geländer stehen.
    »Sie haben schon eine halbe Minute vergeudet, Mr. Wiles. Nein, schon vierzig Sekunden.«
    Billy bewegte sich nicht.
    »Sie wissen noch gar nicht, in welcher Zwickmühle Sie st e cken«, sagte Cottle bange. »Dabei brauchen Sie jede Minute, die er Ihnen lässt, um nachzudenken! «
    »Dann erzählen Sie mir mal von dieser Zwickmühle.«
    »Sie müssen sich setzen. Um Gottes willen, Mr. Wiles!«
    Cottles Stimme klang so flehentlich, als wollte er gleich anfangen, die Hände zu ringen. »Er will, dass Sie auf dem Stuhl da sitzen!«
    Billy ging zu seinem Schaukelstuhl zurück.
    »Ich will die Sache bloß hinter mich bringen«, sagte Cottle. »Will bloß tun, was er mir gesagt hat, und dann weg von hier.«
    »Jetzt sind es aber Sie, der Zeit vergeudet.«
    Eine der fünf Minuten war vergangen.
    »Also gut«, sage Cottle. »Jetzt spricht er. Das verstehen Sie doch, oder? Das ist er.«
    »Los, weiter!«
    Cottle fuhr sich nervös mit der Zunge über die Lippen. Er holte die Flasche aus dem Jackett, ohne etwas davon zu trinken. Stattdessen umklammerte er sie mit beiden Händen, als wäre sie ein Talisman mit der geheimnisvollen Kraft, den Whiskeynebel zu vertreiben, der sein Gedächtnis trübte. Offenbar wollte er die Botschaft klar und deutlich abliefern, um zu verhindern, dass sein Gesicht in einem Einmachglas landete.
    »Ich werde jemanden töten, den du kennst«, zitierte Cottle.
    »Du wirst das Opfer für mich aussuchen. Das ist deine Cha n ce, die Welt von einem elenden Arschloch zu befreien.«
    »Dieser kranke Bastard«, sagte Billy und merkte, dass er beide Hände zur Faust geballt hatte, ohne damit auf irgendetwas einschlagen zu können.
    »Wenn du das Opfer nicht für mich aussuchst«, zitierte Cottle weiter, »dann werde ich jemanden aus deiner Bekanntschaft aussuchen, um ihn zu töten. Du hast fünf Minuten, um dich zu entscheiden. Du hast die Wahl, falls du den Mumm hast, sie zu treffen.«
     

22

    Die Anstrengung, den genauen Wortlaut der Botschaft wiede r zugeben, hatte Ralph Cottle endgültig zu einem Nervenbündel gemacht. Dass zahllose Ängste ihn durc h fuhren, sah man an seinen hin und her huschenden Augen, seinem zuckenden Gesicht, seinen zitternden Händen. Fast konnte Billy hören, wie die Flügel des Entsetzens durch die Luft peitschten.
    Während Cottle die Botschaft des Irren wiedergegeben und dabei die Todesstrafe gefürchtet hatte, wenn er etwas falsch machte, war die Flasche ein Talisman gewesen, doch nun brauchte er ihren Inhalt.
    Billy starrte auf das Geländer mit der Armbanduhr. »Ich brauche keine fünf Minuten«, sagte er. »Verdammt, ich brauche noch nicht mal die drei, die übrig sind!«
    Ohne es zu beabsichtigen, nur indem er nicht zur Polizei gegangen war, hatte er bereits zum Tod eines ihm bekannten Menschen beigetragen – zu dem von Lanny Olsen. Durch sein Nichthandeln hatte er zwar eine Mutter zweier Kinder ve r schont, dafür jedoch seinen Freund geopfert.
    Teilweise, wenn nicht sogar in hohem Maße, hatte Lanny seinen Tod allerdings selbst verschuldet. Er hatte die Botscha f ten des Mörders an sich gebracht und vernichtet, um seinen Job und seine Pension zu retten, und dafür mit dem Leben bezahlt.
    Dennoch trug auch Billy einen Teil der Schuld. Diese Last spürte er und würde das zeitlebens tun.
    Was der Irre nun von ihm verlangte, war neu und schreckl i cher als alles, was bisher geschehen war. Diesmal sollte Billy nicht durch Untätigkeit oder Zufall jemanden zum Tod ve r dammen, sondern durch bewusste Absicht.
    »Ich werde es nicht tun«, sagte er.
    Cottle, der ein oder zwei Schluck genommen hatte, ließ die feuchte Flaschenöffnung an seinen Lippen hin und her wandern, als wollte er sie küssen, statt noch etwas zu trinken. Durch die Nase atmete er geräuschvoll die aufsteigenden Dämpfe ein. »Wenn Sie’s nicht tun, dann tut er es«, sagte er.
    »Wieso sollte ich mich denn entscheiden? Ich bin doch sowi e so geliefert, oder etwa nicht?«
    »Das weiß ich nicht. Will’s auch nicht wissen. Geht mich nichts an.«
    »So ein Schwachsinn!«
    »Es geht mich wirklich nichts an«, wiederholte Cottle behar r lich. »Ich muss bloß hier sitzen, bis Sie

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