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Irrsinn

Irrsinn

Titel: Irrsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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alle sind ein Nichts, und meinetwegen kann dieser irre Bas tard alles tun, was er will, solange er mich nur in Frieden lässt. Weil der nämlich auch ein Nichts ist.«
    Während Billy zusah, wie Cottle die Flasche, die er gerade erst zugeschraubt hatte, wieder öffnete, sagte er: »Was ist, wenn ich Sie einfach die Treppe da runterschmeiße und mit ’nem Fußtritt von meinem Grund und Boden jage? Er ruft mich gelegentlich an, um mich nervlich fertigzumachen, und dann könnte ich ihm sagen, Sie waren so besoffen, dass ich von dem, was Sie gefaselt haben, kein Wort verstanden hab. Wie wäre das?«
    Cottles sonnenverbranntes Gesicht konnte zwar nicht erble i chen, doch seine schmalen Lippen, die sich nach seiner Ansprache selbstzufrieden aufeinandergepresst hatten, öffneten sich zu einer heuchlerischen Entschuldigung. »Aber, Mr. Wiles, bitte, Sie dürfen mir mein Schandmaul doch nicht übel ne h men«, plapperte er. »Was da rauskommt, hab ich genauso wenig unter Kontrolle wie das, was ich reinschütte.«
    »Er wollte doch unbedingt, dass Sie mir von dem Gesicht im Glas erzählen, oder?«
    »Ja, Sir.«
    »Weshalb?«
    »Das weiß ich nicht. Er hat sich mit mir doch nicht beraten, Sir. Er hat mir einfach Worte in den Mund gelegt, die ich Ihnen überbringen soll, und ich bin hier, weil ich weiterleben will.«
    »Weshalb?«
    »Sir?«
    »Sehen Sie mich an, Ralph!«
    Cottle sah ihm in die Augen.
    »Weshalb wollen Sie weiterleben?«, fragte Billy.
    Darüber hatte Cottle offenbar noch nie richtig nachgedacht. Dennoch schien die Frage etwas festzunageln, das in seinem Hirn umherflatterte wie eine seltene Motte, irgendeinen ewig ruhelosen, kontroversen und bitteren Aspekt seines Selbst. Einen Moment lang war er wohl endlich bereit, sich damit zu beschä f tigen, dann wurde sein Blick vage, und er klammerte sich nicht mehr nur mit einer Hand an die Flasche, sondern mit beiden.
    »Weshalb wollen Sie weiterleben?«, wiederholte Billy une r bittlich.
    »Was gibt es sonst auf der Welt?« Ohne Billy anzuschauen, hob Cottle mit beiden Händen die Flasche wie einen Messkelch. »Ich könnte einen kleinen Schluck gebrauchen«, sagte er, als wollte er um Erlaubnis bitten.
    »Nur zu.«
    Cottle nahm einen kleinen Schluck, dem sogleich ein zweiter folgte.
    »Sie sollten mir von dem Gesicht im Glas erzählen, weil er will, dass dieses Bild mir im Kopf herumspukt.«
    »Wenn Sie meinen.«
    »Es geht ihm darum, mich einzuschüchtern und mich aus dem Lot zu bringen.«
    »Funktioniert es denn?«
    Statt diese Frage zu beantworten, fragte Billy: »Weshalb hat er Sie sonst noch hergeschickt?«
    Wie um endlich zur Sache zu kommen, schraubte Cottle die Flasche wieder zu und steckte sie sich diesmal in die Tasche. »Sie haben fünf Minuten, um eine Entscheidung zu treffen«, sagte er.
    »Was für eine Entscheidung?«
    »Nehmen Sie Ihre Armbanduhr ab und legen Sie sie auf das Geländer da.«
    »Wieso?«
    »Um die fünf Minuten abzuzählen.«
    »Das kann ich auch, wenn die Uhr an meinem Handgelenk ist.«
    »Sie aufs Geländer zu legen ist ein Signal für ihn, dass der Countdown begonnen hat.«
    Im Norden erhob sich Wald, schattig und kühl an diesem heißen Tag. In Richtung Westen kam erst grüner Rasen, dann hohes, goldenes Gras, mehrere mächtige Eichen und einige Häuser weiter unten am Hang. Im Westen verlief die Landstr a ße, hinter der weitere Bäume und Felder auftauchten.
    »Er beobachtet uns?«, fragte Billy.
    »Das hat er mir versichert, Mr. Wiles.«
    »Von wo aus?«
    »Das weiß ich nicht, Sir. Aber bitte, bitte nehmen Sie die Armbanduhr ab und legen Sie sie aufs Geländer!«
    »Und wenn ich das nicht tue?«
    »Mr. Wiles, bitte sagen Sie so etwas nicht!«
    »Was ist, wenn ich es nicht tue?«, insistierte Billy.
    »Ich hab Ihnen doch gesagt, dann nimmt er mir das Gesicht weg, während ich noch bei Bewusstsein bin.« Cottles krächze n der Bariton war in eine deutlich höhere Tonlage übergegangen. »Das hab ich Ihnen doch gesagt!«
    Billy stand auf, nahm seine Timex ab und legte sie so aufs Geländer, dass man das Zifferblatt von beiden Liegestühlen aus sehen konnte.
    Die Sonne, die sich dem Zenit näherte, durchdrang die ganze Landschaft und ließ alle Schatten schmelzen, nur die im Wald nicht. Verschwörerisch standen die grün verhüllten Bäume da und gaben keinerlei Geheimnis preis.
    »Sie müssen sich wieder hinsetzen, Mr. Wiles.«
    Der chromgelbe Schimmer, der Felder und Wiesen überzog, zwang Billy, die Augen zusammenzukneifen,

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