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Irrsinn

Irrsinn

Titel: Irrsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Drahtbrille waren feucht vor Mitgefühl.
    Dass er unvermutet so aalglatt geworden war, erschreckte Billy und machte ihm Sorgen. Wenn man im Lügen zu geschickt wurde, verlor man womöglich die Fähigkeit, die Wahrheit zu erkennen und konnte selbst leichter getäuscht werden.
    Wahrscheinlich würde er einen Preis dafür bezahlen müssen, dass er eine nette Frau wie Gretchen Norlee zum Narren hielt. Schließlich hatte alles seinen Preis.
     

41

    Gerade als Billy durch den Hauptflur zu Barbaras Zimmer im Westflügel ging, kam ihr Arzt, Dr. Jordan Ferrier, aus dem Zimmer eines anderen Patienten. Fast wären die beiden zusa m mengestoßen.
    »Billy!«
    »Tag, Dr. Ferrier!«
    »Billy, Billy, Billy …«
    »Jetzt kriege ich wohl was zu hören.«
    »Sie sind mir absichtlich aus dem Weg gegangen!«
    »Zumindest hab ich es versucht«, gab Billy zu.
    Dr. Ferrier war zweiundvierzig, sah jedoch jünger aus. Er hatte aschblondes Haar und grüne Augen, war immer gut aufgelegt und ein engagierter Hausierer des Todes.
    »Unsere halbjährliche Lagebesprechung ist schon seit Wochen überfällig«, sagte er.
    »Das mit dem halben Jahr war Ihre Idee. Ich wäre ganz zufri e den damit, wenn wir das einmal pro Jahrzehnt machen würden.«
    »Gehen wir zu Barbara, ja?«
    »Nein«, sagte Billy. »Über dieses Thema will ich vor ihr nicht sprechen.«
    »Na schön.« Dr. Ferrier nahm Billy beim Arm und führte ihn in den Pausenraum für das Personal.
    Momentan waren sie allein. Automaten mit Snacks und Sof t drinks summten, jederzeit bereit, kalorien-, fett- und koffeinreiche Leckereien an medizinisch geschulte Personen abzugeben, die über die Folgen ihrer Gelüste Bescheid wussten, aber gescheit genug waren, sich ab und zu etwas zu gönnen.
    Ferrier trat zu einem orangefarbenen Resopaltisch und zog einen weißen Plastikstuhl hervor. Als Billy seinem Beispiel nicht folgte, seufzte er, schob den Stuhl wieder unter den Tisch und blieb stehen.
    »Vor drei Wochen habe ich den Zustand von Barbara eing e hend evaluiert.«
    »Das tue ich jeden Tag.«
    »Ich bin nicht Ihr Feind, Billy.«
    »Heutzutage ist so was schwer zu sagen.«
    Ferrier war ein tüchtiger Arzt, intelligent, begabt und woh l meinend. Leider war er an der Universität, die er besucht hatte, mit einer Denkrichtung infiziert worden, die sich »utilitarist i sche Bioethik« nannte.
    »Barbaras Zustand hat sich nicht gebessert«, sagte Dr. Ferrier.
    »Verschlechtert hat er sich auch nicht.«
    »Eine Chance, dass sie die höheren kognitiven Funktionen wiedererlang …«
    »Manchmal sagt sie etwas«, unterbrach ihn Billy. »Das wissen Sie ja auch.«
    »Ergibt das, was sie sagt, irgendeinen Sinn? Ist es verstän d lich?«
    »Gelegentlich schon«, sagte Billy.
    »Nennen Sie mir ein Beispiel.«
    »So aus dem Stegreif kann ich das nicht. Da müsste ich zuerst in mein Notizbuch schauen.«
    Ferrier hatte seelenvolle Augen und wusste sie einzusetzen. »Sie war eine wunderbare Frau, Billy. Niemand hat mehr Respekt vor ihr gehabt als ich. Aber jetzt hat ihr Leben keine sinnvolle Qualität mehr.«
    »Für mich schon.«
    »Nicht Sie sind es, der leidet, sondern Barbara.«
    »Also, ich hab nicht den Eindruck, dass sie leidet«, sagte Billy.
    »Mit Bestimmtheit wissen können wir das nicht, richtig?«
    »Richtig.«
    Barbara hatte Ferrier gemocht. Das war einer der Gründe, weshalb Billy keinen anderen Arzt mit ihrer Betreuung beau f tragte.
    Auf irgendeiner tiefen Ebene nahm sie womöglich wahr, was um sie herum geschah. In diesem Falle fühlte sie sich vielleicht besser, wenn sich Ferrier um sie kümmerte statt ein fremder Arzt, mit dem sie noch nie zusammengetroffen war.
    Diese bittere Ironie verwandelte sich ab und zu in einen Wet z stein, der Billys Gefühl für Ungerechtigkeit rasiermesserscharf schliff.
    Hätte Barbara gewusst, dass Ferrier in seiner bioethischen Verblendung die Weisheit und das Recht zu haben glaubte, entscheiden zu können, ob ein Baby mit Down-Syndrom, ein anderweitig behindertes Kind oder eine im Koma liegende Frau eine ausreichende Lebensqualität hatte, dann hätte sie womö g lich den Arzt gewechselt. Aber sie hatte es nicht gewusst.
    »Sie war eine so kraftvolle, aktive Person«, sagte Ferrier.
    »Schon deshalb glaube ich nicht, dass sie einfach nur noch daliegen wollte, Jahr für Jahr.«
    »Sie liegt nicht nur einfach da«, widersprach Billy. »Sie ist nicht auf den Meeresboden gesunken, sondern schwebt gleich unter der Oberfläche. Sie ist richtig da. «
    »Ich

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