Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Irrsinn

Irrsinn

Titel: Irrsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
zurückzukehren und den Mörder zu erwarten.
    Vorausgesetzt, es kam überhaupt so weit. Wobei Letzteres eine sichere, wenn auch nicht erfreuliche Annahme war.
    Billy ließ Barbara allein und schlenderte durch den Westfl ü gel. Dabei schaute er kurz in die Zimmer anderer Patienten, in eine Besenkammer und ein größeres Badezimmer, um alle Möglichkeiten zu ergründen.
    Als er wieder in Barbaras Zimmer kam, sprach sie vor sich hin: »… ganz durchnässt … mit Lehm beschmiert … von Steinen gelähmt …«
    Ihre Worte wiesen auf einen schlimmen Traum hin, ihr Tonfall hingegen nicht. Sie sprach leichthin und so, als wäre sie en t zückt.
    »… von Kieseln geritzt … von Nesseln verbrannt … von Dornen zerfetzt …«
    Billy hatte Notizbuch und Stift vergessen, aber selbst wenn er sein Schreibzeug dabeigehabt hätte, so wäre jetzt nicht genug Zeit gewesen, um sich zu setzen und Barbaras Worte aufz u zeichnen.
    »Rasch!«, sagte sie.
    An ihrem Bett stehend, legte er ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter.
    »Gib Laut!«, flüsterte sie drängend.
    Fast hätte er erwartet, dass ihre Augen aufgingen und sich auf ihn hefteten, doch das taten sie nicht.
    Als Barbara schwieg, hockte Billy sich hin, um nach dem Kabel zu suchen, das den Mechanismus für die Verstellung der Matratze mit Strom versorgte. Wenn er Barbara in der Nacht hinausschieben wollte, musste er diesen Stecker ziehen.
    Unter dem Bett lag, nicht weit von der Kante entfernt, ein Foto auf dem Boden. Billy hob es auf und stand auf, um es bei besserer Beleuchtung zu betrachten.
    »… immer weiter kriechen …«, flüsterte Barbara.
    Er drehte das Bild in drei verschiedene Richtungen, bis er erkannte, dass es eine Gottesanbeterin darstellte. Fahl lag das Tier auf hell lackierten Brettern, offenkundig tot.
    »… immer weiter kriechen … und ihn aufreißen …«
    Plötzlich zuckte ihre flüsternde Stimme wie ein sterbendes Insekt durch die Spiralgänge in Billys Ohren. Ihn fröstelte.
    Während der üblichen Besuchszeit kamen die Freunde und Angehörigen der Patienten einfach durch den Eingang und gingen zu den Zimmern, ohne sich irgendwo anmelden zu müssen.
    »… Hände der Toten …«, flüsterte sie.
    Weil man sich um Barbara weniger kümmern musste als um die bei Bewusstsein befindlichen Patienten mit ihren zahllosen Klagen und Bitten, kam das Pflegepersonal vergleichsweise wenig in ihr Zimmer.
    »… große Steine … flammend rot …«
    Ein unauffälliger Besucher hätte gut eine halbe Stunde an Barbaras Bett verbringen können, ohne dass ihn dort jemand sah – oder bemerkte, wie er hereinkam und hinausging.
    Am liebsten wäre Billy dageblieben, damit Barbara jetzt nicht allein zu einem leeren Zimmer sprechen musste, obwohl sie das bestimmt schon oft getan hatte. Leider ging das nicht. Obwohl er abends und nachts schon genug zu tun hatte, musste er nun noch eine weitere Sache erledigen.
    »… hängende Ketten … schrecklich …«
    Billy steckte das Foto ein.
    Er beugte sich zu Barbara hinunter und gab ihr einen Kuss. Ihre Stirn war kühl, wie sie es immer war.
    Am Fenster zog er das Rollo nach unten.
    Zögernd stand er in der offenen Tür und schaute noch einmal zu ihr zurück.
    Da sagte sie etwas, das ihm irgendwie vertraut war, obgleich er keine Ahnung hatte, inwiefern.
    »Mrs.  Joe«, sagte sie. »Mrs.  Joe.«
    Er kannte keine Mrs. Joe und auch keine Mrs. Joseph, Mrs. Johanson, Mrs. Jonas oder sonst eine Frau, deren Namen dem ähnelte, den Barbara soeben ausgesprochen hatte. Dennoch hatte er den Findruck, dass er doch eine kannte.
    Wieder zuckte das eingebildete Insekt in seinen Ohren und krabbelte an seinem Rückgrat hinab.
    Mit einem Gebet, das so echt war wie die, von denen er Gre t chen Norlee vorgeflunkert hatte, ließ er Barbara in dieser letzten Nacht, in der sie vielleicht noch nicht bedroht war, allein.
    Weniger als drei Stunden Tageslicht blieben noch in einem Himmel, der zu trocken war, um auch nur einen Wolkenfetzen zu dulden. Die Sonne leuchtete mit thermonuklearer Grellheit, die Luft war so still geworden, als wartete sie auf eine katastr o phale Explosion.
     

43

    In dem von einem Holzzaun geschützten Vorgarten gab es kein Gras zu mähen. Stattdessen breitete sich dort ein üppiger Teppich aus Bubiköpfchen aus, und unter den anmut i gen Zweigen von Pfefferbäumen wuchs weißer Dill.
    Über den Weg zur Haustür wölbte sich ein mit Winden dr a pierter Laubengang. Ein ganzes Orchester schweigender roter Trompeten hob

Weitere Kostenlose Bücher