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Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt

Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt

Titel: Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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Ähnliches galt für andere wichtige DDR-Gremien und Ministerposten; selbst an Schulen und Universitäten lehrten schon bald viele frühere Nazis.
    Politischer Pragmatismus prägte also auch östlich der Elbe den Umgang mit der NS-Vergangenheit: Der seinerzeitige KPD-Funktionär und spätere Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht wies bereits Ende 1945 darauf hin, dass in den Betrieben die Arbeiter mit Nazivergangenheit möglichst zu integrieren seien, da sonst zu befürchten sei, sie würden sich mit den neuen Machtverhältnissen nicht anfreunden können – er bezeichnete sie als »Arbeiter, die betrogen sind«. Die weichere Strategie rührte nicht nur daher, dass die Betriebe funktionsfähig bleiben sollten, sondern auch von der Angst, die Betreffenden an die SPD zu verlieren, zu der einstweilen noch ein Konkurrenzverhältnis bestand, bis zu deren mehr oder weniger freiwilligem Zusammenschluss mit der KPD zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. »Die große SED als Freund des kleinen Nazis«, fasste der Volksmund die milde Haltung der Partei gegenüber Mitläufern zusammen, und bereits kurz nach der Gründung der DDR forderte die Einheitspartei mit Ausnahme von Verurteilten die »völlige rechtliche Gleichstellung« ehemaliger Mitglieder von NSDAP und Wehrmacht – bis in oberste Ränge. Wer sich besann und auf die Linie der SED einschwenkte, konnte darauf rechnen, zum Antifaschisten reingewaschen zu werden. Die DDR-Schriftstellerin Christa Wolf beschrieb das 1989 so: »Eine kleine Gruppe von Antifaschisten, die das Land regierte, hat ihr Siegesbewusst sein zu irgendeinem nicht genau zu bestimmenden Zeitpunkt aus pragmatischen Gründen auf die ganze Bevölkerung übertragen.«    
    Die Propaganda der DDR verwandte in den ersten Jahrzehnten nach Gründung der beiden deutschen Staaten viel Energie darauf, die Altnazis an den Schaltstellen der Bundesrepublik auszumachen und zu denunzieren, wofür das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) eigene Leute beschäftigte. Westdeutsche Aktivisten wie Beate Klarsfeld erfuhren für ihre Arbeit viel konkrete Unterstützung aus Ostberlin, unter anderem in Form von wertvollem Archivmaterial. Die Stasi erforschte aber auch die Vergangenheit eigener Leute, nutzte belastende Erkenntnisse jedoch sehr selektiv, beispielsweise um sie zur Mitarbeit mit dem MfS zu zwingen. Andere ließ man wissen, was man wusste, um so auf subtile Weise Wohlverhalten zu erzwingen. Von Anklagen sah man, zumal wenn Fall oder Tatbestand nicht spektakulär genug erschienen, in den meisten Fällen ab: Dem antifaschistischen Staat war sehr daran gelegen, den eigenen Mythos nicht revidieren zu müssen. Beispielsweise wurde im Prozess gegen den in der DDR lebenden ehemaligen SS-Obersturmbannführer Heinz Barth wegen seiner Beteiligung am Massaker von Oradour 1944 der Angeklagte zwar überführt und schuldig gesprochen, weitere Verdächtige wurden jedoch verschont, weil zu viele Kriegsverbrecher dem »besseren« Staat allzu schlecht zu Gesicht gestanden hätten. Tausende juristisch verwertbare Ermittlungsergebnisse zu Kriegsverbrechen verblieben ungenutzt in den Archiven, selbst in sozialistischen Bruderstaaten begangene Taten wurden trotz eindeutiger Beweise nicht geahndet, so im Fall von Polizei-Mordaktionen während des Zweiten Weltkrieges in Polen und der Sowjetunion. Ebenso bedeutete die Verstrickung ins Euthanasie-Programm der Nazis noch lange nicht, dass ein DDR-Bürger dafür vor Gericht gestellt worden wäre. Selbst im Fall der Waldheimer Prozesse gegen Nazis 1950 kamen zahlreiche Verurteilte trotz hoher Haftstrafen schon bald wieder frei, ohne dass die Öffentlichkeit davon hätte Notiz nehmen können. Mancher Kriegsverbrecher ging in den Westen und wurde dort ein weiteres Mal verurteilt.
    Der Umgang der beiden deutschen Staaten in Sachen Vergangenheitsbewältigung war also gar nicht so verschieden: Beide Seiten verfuhren im eigenen Sinne pragmatisch mit belasteten Personen in den eigenen Reihen.

Die Pille löste die Sexuelle Revolution aus – IRRTUM!
    Die Sache ist doch klar: Nachdem in den USA 1957 die Antibabypille auf den Markt kam – zunächst als Mittel gegen Menstruationsbeschwerden und seit 1960 zugelassen als Verhütungsmittel –, war der Weg zur berühmten Sexuellen Revolution der Sechzigerjahre nicht mehr weit. Das eine bedingte das andere: Die Möglichkeit, ohne die Gefahr einer Schwangerschaft Sex zu haben, ließ die Hemmungen schwinden, sich sexuell ein wenig

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