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Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt

Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt

Titel: Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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versuchte, der ostdeutsche Weg der Planwirtschaft sei eine Erfolgsspur. Und beim Weg in die Wirtschafts- und Währungsunion im Sommer 1990 vertrauten viele westdeutsche Politiker und Wirtschaftsfachleute darauf, das Wunder der Fünfziger ließe sich durch den Impuls der westdeutschen Marktwirtschaft für die Noch-DDR rasch wiederholen. Beide Versuche, das Wirtschaftswunder der Fünfzigerjahre als Wiederholungstat für sich zu reklamieren, gingen bekanntlich daneben und hinterließen einen schalen Nachgeschmack.

Die DDR war ein konsequent antifaschistischer Staat – IRRTUM!
    Staaten berufen sich gern auf mehr oder weniger berechtigte Gründungs- oder Neugründungsmythen, doch so mancher Staat geht äußerst kreativ mit seiner Vergangenheit um. Bei der DDR handelte es sich ihrem eigenen Selbstverständnis zufolge um eine Staatsgründung aus dem Geist des Antifaschismus, in der die Widerstandskräfte gegen Hitlerdeutschland eine natürliche Heimat finden sollten. Die Deutungshoheit über den Antifaschismus beanspruchten die deutschen Kommunisten seit den 1920er-Jahren und in Abgrenzung selbst zur Sozialdemokratie; mit der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik 1949 aber wurde sie zu einer staatstragenden Ideologie erhoben. Die Vorstellung, die Kämpfer gegen Hitler und die Nazis hätten sich zusammengefunden, um endlich ihr Ziel des »richtigen« deutschen Staates zu verwirklichen, besaß zudem den Vorteil, von den eigentlichen Geburtshelfern der DDR abzulenken: der Kalte Krieg im Allgemeinen und die Sowjetunion im Besonderen.
    Das Problem der Konkurrenz zum anderen deutschen Staat, der Bundesrepublik, der sich unter günstigeren Voraussetzungen bildete und mit größerem Erfolg entwickelte, beschäftigte die DDR bis zu ihrem Ende. Als hilfreicher Aspekt in der Auseinandersetzung mit der Bundesrepublik und gleichermaßen als Instrument der internen Legitimierung erschien das antifaschistische Erbe, das dementsprechend in Abgrenzung zum Westen in Anschlag gebracht wurde. Während der ostdeutsche Staat, so die offizielle Lesart, Tabula rasa machte und bei null neu anfing, erkannte man im Westen eine fatale Kontinuität zur Zeit vor 1945: Nicht nur beging man dort, so die Sichtweise, den Fehler, ein zweites Mal auf die parlamentarische Demokratie zu setzen, an der doch schon die Weimarer Republik offensichtlich so kläglich gescheitert war. Die Bundesrepublik griff überdies auf alte Strukturen und vor allem das Personal aus der NS-Zeit zurück.
    In der Tat erleichterte die Bundesrepublik der ersten Jahrzehnte diesen schematischen Blick auf den Umgang mit dem braunen Erbe. Zweifellos geriet die Entnazifizierung in den Westzonen rasch zur Farce, und statt auf gründliche Aufarbeitung der Vergangenheit setzte man auf Wiederaufbau. Dafür nutzte man personelle Kontinuitäten: Bis in die oberen Etagen der Entscheidungsträger in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft waren NS-kontaminierte Personen vertreten, was Glaubwürdigkeit und Außenwirkung des jungen Staates teilweise beschädigte. Erst spät stellte sich die Bundesrepublik der problematischen Fortsetzung von alten Strukturen über die Stunde null hinaus – und einige Historikerkommissionen sind noch immer dabei, fatale Kontinuitäten in der Geschichte von Ministerien oder Bundesbehörden zu erforschen.
    Drei entscheidende Merkmale wies der offizielle DDR-Antifaschismus auf: Er gründete sich auf eine klare Unterscheidung von Gut und Böse, wobei das Gute östlich der innerdeutschen Grenze zu finden war; er erhob einen Alleinvertretungsanspruch; und er wurde überhöht zum ständigen Kampf – als sozusagen vermeintlich aktive Spielwiese einer revolutionären Gesellschaft, die in einem doch eher starren und autoritären System lebte. Die scharfe Trennung von Gut und Böse bedeutete, das westliche Deutschland im Unterschied zur antifaschistischen DDR als nach wie vor faschistisch anzusehen – ähnlich wie Stalin einst die SPD als faschistisch eingeordnet hatte. Die Kampfbegriffe faschistisch und kapitalistisch wurden dabei ebenso inflationär gebraucht, wie sie austauschbar waren. Und was das Erbe des antifaschistischen Kampfes betraf, reklamierte die DDR eine klare Vorrangstellung des kommunistischen Widerstands gegenüber anderen Formen von Verfolgung und Widerstand, die sich sogar Diffamierungen gefallen lassen mussten. Die DDR hatte das Erbe des heroischen Widerstands gegen den Faschismus angetreten und die »Sieger der Geschichte« unter Zirkel und

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