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Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt

Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt

Titel: Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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defensiv, das aber änderte sich unter Caesars Adoptivsohn und Nachfolger Augustus, der auf Expansion aus war und eine aktivere Germanienpolitik verfolgte. Die Forschung ist sich noch immer uneins, was genau das Ziel des Augustus war und ob Germanien als römische Provinz angesehen werden muss oder nicht. Archäologische Funde der vergangenen Jahre bestätigen die Annahme, dass es diese germanische Provinz rechts des Rheins tatsächlich gab. Wie auch immer, die Konsolidierung an diesem Rand des Imperiums, das sich ja an vielen Ecken und Enden immer wieder unruhig zeigte, wurde nunmehr aktiver, ja aggressiver gestaltet.
    Anlass dafür war die Niederlage des römischen Legaten Lollius gegen den westgermanischen Stamm der Sugambrer 17 oder 16 v. Chr. Zwar waren schon vorher erste Militärstützpunkte aufgebaut worden, etwa in Bonn, Xanten oder Mainz, für die römische Germanienpolitik bedeutete die Neuausrichtung aber, Angriffe weiter östlich als bisher abwehren zu können, noch bevor sie die Rheinlinie erreichten. Im Zuge dieser Vorfeldsicherung wurden Feldzüge gegen germanische Stämme geführt, die Rom feindlich gesinnt waren und so geschwächt werden sollten. Außerdem wurden immer mehr feste Militärlager auf rechtsrheinischem Gebiet errichtet, aber auch Bündnisvereinbarungen eingegangen oder erzwungen, beispielsweise mit den Cheruskern. Unter Augustus tat sich hier als Vertreter Roms besonders Drusus hervor, Bruder des späteren Kaisers Tiberius und Großvater Caligulas. Drusus erlitt auf einem dieser Züge einen tödlichen Sturz vom Pferd und wurde aufgrund seiner Verdienste um die römischen Interessen in Germanien posthum inklusive Familie mit dem Beinamen Germanicus geehrt.
    Nach der Varusschlacht war es zwar für kurze Zeit vorbei mit der römischen Präsenz in Germanien, denn bis auf einen einzigen wurden alle rechtsrheinischen Stützpunkte aufgegeben. Am Rhein aber zog man enorme Truppenbestände zusammen – groß war die Furcht, die Germanen könnten nun den Einfall in die Provinz Gallien wagen, sich mit den Einheimischen zu einem Aufstand verbünden und in der Folge dem Imperium wirklich gefährlich werden. Der mühsam niedergeschlagene Aufstand der Gallier unter Vercingetorix war den Römern bleibende Mahnung. Doch nichts dergleichen geschah, schon weil die germanischen Stämme keineswegs so geeint waren, wie es der Sieg über Varus vermuten ließ. Was auf diesen kurzen Moment der Unsicherheit folgte, war nichts weiter als die Fortsetzung der aktiven römischen Germanienpolitik aus der Zeit vor der Varus-Niederlage.
    Unter Augustus’ Stiefsohn Tiberius, der sein zweites Oberkommando in Germanien übernommen hatte, stießen erheblich verstärkte römische Truppen bald darauf wieder über den Rhein nach Germanien vor. Auch Legionslager wurden dort wieder errichtet. Fremde Hilfstruppen dazugezählt, standen Tiberius bis zu 80000 Mann zur Verfügung. Im Jahr 13 n. Chr. übergab Tiberius den Oberbefehl an seinen Neffen Germanicus. Der ging in den folgenden Jahren wenig zimperlich gegen verschiedene germanische Stämme vor, darunter die Cherusker. Die Vorstöße auf das Gebiet der Germanen reichten weit, bis zur Weser und auch von Norden mit Schiffen über die Nordsee, jedes Jahr ein Stückchen weiter. Allerdings fielen die Erfolge eher gering und die Verluste hoch aus, außerdem musste Rom weitere Niederlagen gegen cheruskische Verbände einstecken. Dieser Einsatz erschien Tiberius, nunmehr Imperator, zu hoch. Noch bevor Germanicus, wie er zuversichtlich erwartete, die Germanen endgültig bezwingen konnte, wurde er nach Rom abberufen und starb zwei Jahre später an einem anderen Einsatzort weit im Osten des Reiches. Erst sieben Jahre nach der Varusschlacht erfolgte also das Aussetzen der Militäroperationen und der weitere Ausbau der Rheinlinie zu einer waffenstrotzenden Militärgrenze. Ein Verzicht auf die Gebiete jedoch war auch das nicht, denn der Sieg über die Germanen blieb Bestandteil der römischen Programmatik, Diskussion – und Propaganda.
    Das galt vor allem für die julisch-claudischen Herrscher, weil Germanicus einer der Ihren gewesen war und nicht zuletzt wegen seines verfrühten Todes weiterhin enorme Popularität genoss. Zwar hatte Tiberius eine andere, aus eigener Sachkenntnis vielleicht realistischere Germanienpolitik verfolgt und Germanicus zurückbeordert – wohl auch aus persönlichen Gründen, denn dessen Beliebtheit war seinem eigenen Stand in Rom abträglich. Der nächste

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