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Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt

Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt

Titel: Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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gegen ihn intrigierten.
    Die Herrschaftsverhältnisse im Römischen Reich waren einigermaßen verworren. Denn trotz faktischer Alleinherrschaft eines Imperators war Rom pro forma weiterhin eine Republik. Mit dieser paradoxen Konstruktion hatte Augustus Rom befriedet und die Kaiserzeit eingeleitet. Und weil dem Adoptivsohn und Nachfolger Caesars diese Quadratur des Kreises ziemlich überzeugend gelungen war, galt er seither als gerechter, maßvoller und kluger Herrscher – und das umso mehr, je schwerer sich seine Nachfolger mit ihrer Aufgabe taten. Die Schwierigkeit bestand darin, trotz der tatsächlichen Machtverhältnisse im sogenannten Prinzipat es so aussehen zu lassen, als hielte nicht der Kaiser allein, sondern mit ihm der römische Senat die Geschicke des Reiches weiterhin in der Hand, als würde Rom einvernehmlich von den Senatoren regiert und der Kaiser bloß eine Art Vorsitz einnehmen. Nur war der Senat praktisch machtlos und Augustus unumschränkter Alleinherrscher. Mit viel Feingefühl und einiger Anstrengung inszenierte er das Theater namens Rom überzeugend und zur allseitigen Zufriedenheit. Das gestaltete sich wohl ein wenig wie in dem berühmten Märchen »Des Kaisers neue Kleider«. Zwar herrschten Augustus und seine Nachfolger unumschränkt, aber ein Erbkaisertum war Rom deshalb noch lange nicht geworden. Folglich gab es Thronanwärter, aber keinen unangefochtenen, der nach dem Tod des Kaisers automatisch nachrückte. Als Augustus starb, folgte sein Adoptivsohn Tiberius, der nach der Lichtgestalt des Vaters eine schlechte Figur abgab. Ihm gelang kein so harmonisch wirkendes Miteinander mit dem Senat, und er verbrachte sein letztes Lebensjahrzehnt lieber auf Capri, ohne sich in Rom noch einmal blicken zu lassen.
    Bei Tiberius in dessen Residenz auf Capri lebend, musste der junge Caligula vor allem überleben und bewies dabei beachtliches Geschick. Das hatte er auch bitter nötig, wollte er nicht enden wie seine älteren Brüder Drusus und Nero. Stark und hart musste ein Junge werden, der eine solche Kindheit und Jugend erlebte – und die notwendige Folge aus ständiger Bedrohung und dem Zwang zur Verstellung waren Misstrauen, Rücksichtslosigkeit, unbedingter Durchsetzungswille und kaum ein Hauch von Zimperlichkeit oder Nachsicht, dafür eine Anlage zur Bösartigkeit. Und offenbar eine Abscheu dem politischen System gegenüber, gepaart mit dem Vorsatz, sich darin um jeden Preis zu behaupten, sollte er Tiberius’ Nachfolge antreten.
    Als Caligula im Jahr 37 schließlich an die Macht kam, galt er im Volk nach dem unbeliebten Tiberius als Hoffnungsträger, schon seines reichsweit bewunderten Vaters wegen. Zum ersten Mal trat an die Spitze des Staates kein gereifter, sondern ein junger Mann. Das gewohnte Spiel zwischen Alleinherrscher und Senat spielte er zwar zunächst mit, ja er versprach die Teilung der Macht und hofierte die Senatoren. Diese ersten Monate nach Regierungsantritt ließen vermuten, Caligula werde in die Fußstapfen des Augustus treten. Nicht einmal die Verantwortlichen für den Tod seiner Mutter und seiner Brüder ließ er zur Rechenschaft ziehen. Dann aber wurde der Kaiser ernstlich krank, was ihm vor Augen führte, dass er auch an der Herrschaft kaum weniger gefährdet war als zuvor am Hof des Tiberius – denn an seiner Nachfolge wurde bereits gebastelt. Machtbehauptung um jeden Preis bot die größtmögliche Sicherheit vor Bedrohung, nicht nur für Caligula selbst, sondern für seine gesamte Familie.
    Seither verhielt sich der junge Regent weniger konziliant und ausgleichend als Augustus und stieß die Senatoren, die mit ihrem Machtverlust ohnehin schwer zurechtkamen, immer wieder vor den Kopf. Das ging trotzdem noch einige Zeit gut, zumal Caligula sich als fähiger Herrscher erwies. Dann aber fanden sich höchste Kreise zu Intrigen gegen den Kaiser zusammen. Nach deren Fehlschlag ließ Caligula alle Rücksicht fahren und entblößte mit Ironie, Zynismus und Spottlust die Fassade einer Republik, die gar keine mehr war. Er demütigte den stolzen Senat, den er als Versammlung eitler, aber machtloser Heuchler vorführte. Er verhöhnte die Luxussucht, mit der die Oberschicht Roms ihren politischen Bedeutungsverlust kompensierte. Statt den Schein zu wahren, präsentierte er sich als der Alleinherrscher, der er faktisch ja auch war. Das aber widersprach dem stillschweigenden Abkommen aus Augustus’ Zeiten und schuf Caligula hasserfüllte Feinde in den Reihen der gedemütigten

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