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Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt

Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt

Titel: Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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Kaiser jedoch kam wieder auf die Ideen des Augustus und die Heldentaten des Germanicus zurück: Caligula zog erneut gegen die Germanen ins Feld. Dessen Nachfolger Claudius zeigte dagegen, obwohl ein Bruder des Germanicus, wenig Neigung, Germanien zu erobern. Unter den flavischen Kaisern schließlich beendete Vespasian den Bataveraufstand, der erstmals seit Langem wieder feindliche germanische Soldaten über den Rhein gebracht hatte, und auch Domitian ging Ende des 1. Jahrhunderts gegen die Germanen vor. Das propagierte und in der Öffentlichkeit populäre Ziel lautete weiterhin, Germanien gänzlich zu unterwerfen, aber das gelang nicht. Am Ende löste man das Germanenproblem sehr pragmatisch: Entgegen der Tatsachen verkündete Domitian im Jahr 83, Germanien sei nunmehr »genommen«, und gründete flugs zwei germanische Provinzen – nur lagen Germania superior und Germania inferior großenteils links des Rheins und auf Gebiet, das seit Langem römisch war. Um den Anspruch, Germanien zu bezwingen, doch noch einzulösen, hatte man geographisch ein wenig getrickst. Weiter östlich aber blieb die Lage weiterhin prekär. Noch im 3. Jahrhundert durchzogen große römische Heere die germanischen Stammesgebiete, wie 2008 archäologische Funde auf dem Schlachtfeld von Harzhorn in Niedersachsen eindrucksvoll bestätigten.
    Die Varusschlacht war also keineswegs das Ende der aktiven Germanienpolitik Roms, wohl aber der Anfang vom Ende, das sich aber noch sehr lange hinzog. Überaus zutreffend ist daher ein Satz des Historikers Tacitus aus seiner Schrift Germania , die er um die Wende zum 2. Jahrhundert verfasste: »So lange sind wir schon dabei, Germanien zu besiegen.«

Kaiser Caligula war wahnsinnig – IRRTUM!

    Zu Ostern 1894 erschien in Leipzig ein schmales Bändchen. Autor war der Historiker und spätere Friedensnobelpreisträger Ludwig Quidde, der damit einen handfesten Skandal auslöste. Gegenstand der Schrift Caligula war der dritte der römischen Kaiser, aber dem zeitgenössischen Leser konnte kaum entgehen, dass der Autor eigentlich auf den deutschen Kaiser höchstpersönlich zielte: Wilhelm II. Der Untertitel des Buches lautete: »Eine Studie über römischen Caesarenwahnsinn«, und der berüchtigte Caligula, seine allgemein bekannten pathologischen Charaktereigenschaften und die Monstrositäten seines Handelns dienten dazu, Wilhelm als modernes Beispiel des sogenannten »Caesarenwahnsinns« vorzuführen. Das Kalkül der Publikation lag darin, Parallelen zwischen einem bekanntermaßen wahnsinnigen römischen Imperator und dem deutschen Kaiser aufzuzeigen, ohne sie direkt anzusprechen. Damit begab sich Ludwig Quidde mit einem Bein ins Gefängnis, denn Majestätsbeleidigung stand unter Strafe. Seine akademische Karriere fand ein jähes Ende.
    Von den Herrschern der Weltgeschichte, die als wahnsinnig gelten, ist der seit 37 n. Chr. regierende Caligula wohl einer der bekanntesten. Eifrig untermauern antike Autoren den Befund mit saftigen Details aus dessen Leben und Regierungszeit: Er wollte ein Pferd zum Konsul machen. Er aß in Essig aufgelöste Perlen und mit Gold überzogene Speisen. Er machte aus dem Kaiserpalast ein Bordell und zwang die Vornehmsten Roms, sich zu prostituieren. Er führte ein Schreckensregiment und ließ wahllos Menschen hinrichten. Er unterhielt inzestuöse Beziehungen zu seinen Schwestern. Er inszenierte irrsinnige Triumphspektakel. Er ließ sich als Gott anbeten. Die Sache scheint also klar – der Mann war ein brutaler, unzurechnungsfähiger und gefährlicher Psychopath.
    Caligula regierte keine vier Jahre, bereits im Jahr 41 fiel er einer Verschwörung zum Opfer und wurde gerade einmal 28-jährig ermordet. Dafür ist er als historische Figur umso langlebiger: vor allem als Stoff für Dramen, Romane und Filme. Als schillerndster, berüchtigtster römischer Kaiser ist seine posthume Medienkarriere atemberaubend, sogar pornographische Werke, in denen ein hemmungsloser Tyrann seinen perversen Gelüsten nach Lust und Laune nachgeht, berufen sich auf Caligulas Lebensgeschichte. Und im öffentlichen Bewusstsein setzte sich dieser Befund hartnäckig fest – schließlich sind es die skandalösen, überdrehten und besonders illustren Gestalten, die im Gedächtnis haften bleiben. Nur blieb bei diesem erstaunlichen Nachleben Caligulas in Geschichtsbüchern und Dramen, TV-Serien und Pornofilmen die Wahrheit auf der Strecke. Denn Caligula war nicht wahnsinnig.
    Die üble Nachrede über Caligula

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