Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt
römischen Aristokratie. Weitere Verschwörungen gegen ihn folgten, von denen eine schließlich Erfolg hatte: Am 24. Januar 41 wurde Caligula bei einer Theateraufführung auf dem Palatinhügel in Rom von Angehörigen der Prätorianergarde ermordet.
Die Vorwürfe gegen Caligula sind keineswegs allesamt frei erfunden. Aber der wahre Kern wurde von den Autoren mal grotesk überzeichnet, mal so aus dem Zusammenhang gerissen, dass der Eindruck entstand, der entstehen sollte: dass Caligula verrückt war. Die Sache mit dem Pferd beispielsweise war ein derber, aber zielgerichteter Scherz des Kaisers. Wenn er ankündigte, sein Pferd Incitatus (Heißsporn) zum Konsul zu machen und es mit eigenem, überaus luxuriösem Hausstand ausstattete, verspottete er die Senatoren, die ihre Machtlosigkeit mit einem verschwenderischen Lebensstil übertünchten. In diese Richtung zielte auch der Verzehr vergoldeter Speisen und in Essig aufgelöster Perlen: Caligula verhöhnte die römische Aristokratie mit ihrer hohlen Luxussucht und übertrumpfte sie auf offensichtlich groteske Weise mit ihren eigenen Mitteln. Auch das angebliche Bordell auf dem Palatin entpuppt sich bei näherem Hinsehen als rationale Vorsichtsmaßnahme: Caligula lud die Familien der Senatoren ein, bei ihm auf dem Palatin zu leben, wodurch ihm als Garantie für den Fall einer erneuten Intrige hochgestellte Geiseln zur Verfügung standen. Der Vorwurf der Prostitution hingegen ist haltlos, schon die entsprechenden Schilderungen sind in sich unlogisch. Jeder Grundlage entbehrt auch das angeblich inzestuöse Verhältnis zu seinen drei Schwestern – derartige Vorwürfe wurden zum Zwecke der Denunziation früher wie heute gern erfunden. In diesem Fall geschieht das aber erst ein Jahrhundert nach Caligulas Tod, während zwei frühere und besser informierte Biographen, die ansonsten nichts ausließen, was ihnen an ihrem Objekt des Interesses verwerflich erschien, davon nichts berichten. Auch dass Caligula sich schon zu Lebzeiten als Gott verehren ließ, ist kein Anzeichen von Verrücktheit, denn die Antike kannte die Vergöttlichung von Herrschern. Sogar in Rom schlug er dabei keine neuen Wege ein, schließlich hatte der Senat selbst schon Caesar und Augustus göttliche Ehren angetragen, die diese aber ausschlugen. Caligula hingegen ließ die Vergöttlichung als Erster zu – auch damit führte er den Senat als unterwürfigen Papiertiger vor. Selbst der Vorwurf, Caligula habe wahllos und zum grausamen Zeitvertreib in Majestätsprozessen Menschen hinrichten lassen, geht ins Leere. Merkwürdigerweise erheben antike Autoren zwar diesen Vorwurf, bleiben die Opfernamen jedoch fast immer schuldig. Caligula ließ aber durchaus schnell und rücksichtslos zuschlagen, wenn eine Verschwörung gegen ihn im Gange war – das war ebenso üblich wie notwendig, wenn ihm sein eigenes Leben lieb war. Das alte Rom ging mit Menschenleben nicht gerade zimperlich um. Schließlich der Vorwurf grotesker Triumphinszenierungen: In der Tat trieb Caligula im Jahr 40 ungeheuren Aufwand für einen Triumphzug, wie man ihn von heimkehrenden Feldherren erwartete. Aber statt mit großem Gefolge im prachtvollen Wagen in Rom einzufahren, wie es üblich war, ließ er am Golf von Neapel bei Pozzuoli eine rund fünf Kilometer lange Schiffbrücke bauen und vollzog einen Ritt übers Meer. Der Aufwand und die Symbolik waren unerhört, alle Welt sprach davon – und eben das war das Ziel der Aktion. Und ebenfalls nicht unerheblich: Nicht der Senat ehrte den Feldherrn, sondern Caligula inszenierte den Triumph aus eigener Machtfülle. Bemerkenswert bei alldem sind der regelrecht vergnügte Sarkasmus und der Einfallsreichtum des Kaisers.
Der berühmteste Psychopath der Antike war also gar keiner. Dahinter steckt aber keine reine Bosheit seiner Biographen, sondern kühl kalkulierte Denunziation, die seit fast zwei Jahrtausenden Bestand hat. So wie hinter des Kaisers vermeintlichem Wahnsinn durchaus System steckte, wurde er posthum Opfer systematischer Verteufelung. Caligula sollte in die Nachwelt als ein sozusagen entarteter Tyrann eingehen, um damit zugleich die römische Aristokratie zu rehabilitieren, die von ihm so maßlos gedemütigt worden war. Die Informanten, oder besser: Denunzianten, auf die sich die Biographen stützen, stammen denn auch aus der römischen Oberschicht, die nunmehr Rache für alle Zeiten übte – wenn man kritiklos glaubt, was Seneca und Sueton, der ältere Plinius, Flavius Josephus,
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