Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt
Cassius Dio und Tacitus über Caligula wider besseres Wissen geschrieben haben. Vor allem Sueton ist für das verzerrte Bild des Kaisers verantwortlich, das er mit medizinischen Befunden anfüttert, die ebenso erfunden sind. Seine Schrift über Caligula entstand ein Jahrhundert nach dessen Ermordung, als Imperator und Senat wieder ein gütliches Auskommen gefunden hatten und der Mann, der den Senat derart vorgeführt und sich zum Monarchen aufgeschwungen hatte, als Schreckensbild diente, wie man es im System Prinzipat nicht machen durfte.
Kaiserin Messalina war die größte Schlampe der Antike – IRRTUM!
Als im Jahr 41 n. Chr. der schrullige und leicht körperbehinderte Claudius zur allseitigen Überraschung Nachfolger seines gemeuchelten Neffen Caligula wurde, stieg die Frau an seiner Seite zur Kaiserin auf: Valeria Messalina, mit der er in dritter Ehe verheiratet war. Dem Vorgänger ihres Mannes ähnlich, hängt auch Messalina bis auf den heutigen Tag der Ruch an, ein durch und durch verdorbener und lasterhafter Mensch gewesen zu sein. Zu den weithin bekannten Details dieses Lebens gehört, Messalina habe ihrem übersteigerten Sexualtrieb freien Lauf gelassen, habe ihren Mann mit unzähligen anderen betrogen, habe sich nachts (mit blonder Perücke) vom kaiserlichen Ehelager ins Bordell geschlichen, habe tugendhafte Frauen zum hemmungslosen Sex angestiftet, aus dem kaiserlichen Palast eine Art Swingerclub gemacht und sich gar in sexueller Ausdauer mit einer professionellen Hure gemessen (und gewonnen). Tatsächliche oder eingebildete Rivalinnen ließ sie mit größter Grausamkeit aus der Welt schaffen. Da nehmen sich Geiz und Gier, die ihr ebenso nachgesagt werden, geradezu als Petitessen aus. Natürlich endet diese moralisch und menschlich ruinierte Biographie gewaltsam, aber nicht ohne einen weiteren skandalösen Höhepunkt: Messalina besaß die Unverfrorenheit, ihren Geliebten Gaius Silius, angeblich der schönste Mann von Rom, zu ehelichen, obwohl sie ja mit Claudius verheiratet war – Bigamie war auch in Rom verboten. Diese Infamie wurde dem Kaiser hinterbracht, der seine Frau umbringen ließ, um diese Schande aus der Welt zu schaffen.
Die posthume Karriere der Messalina als nymphomanische Triebtäterin begann im frühen 2. Jahrhundert mit dem Satiriker Juvenal, der an ihr kein gutes Haar ließ. Meretrix imperii nannte er sie ganz unverblümt: Hure des Reiches. Das war bereits einige Jahrzehnte nach ihrer Ermordung, eine zeitgenössische Biographie existiert nicht. In dieselbe Kerbe schlugen die nachfolgenden Autoren, ob Tacitus, Sueton oder Cassius Dio. Je später verfasst, desto deftiger und ausgeschmückter geriet die Darstellung. Diese Tradition der antiken Geschichtsschreiber fand ihre Fortsetzung in sensationslüsternen Dramen seit dem 17. Jahrhundert, Opern vor allem des 19. sowie Filmen des 20. Jahrhunderts. Und auch neuzeitliche Historiker folgten noch lange der negativen Darstellung Messalinas als sexuell enthemmter, grausamer Kaiserin. Nur stützt sich dieses Bild der Kaiserin auf zweifelhafte Gewährsmänner, denn antike Historiker verstanden ihren Beruf anders als die modernen. Nicht um wissenschaftliche Genauigkeit und Objektivität ging es, sondern um eine bewusst wertende Darstellung der Vergangenheit – römische Geschichtsschreibung ist immer auch ein Beitrag zur Gedenkkultur. Antike Historiker wollten dem Leser eine Moral nahebringen, weshalb sie es entgegen aller Versicherungen mit der Wahrheit nicht so genau nahmen und Ausschmückungen als durchaus statthaft empfanden.
Die Frauen der römischen Antike waren keine gleichberechtigten Partner ihrer Männer, auch nicht die Gattinnen der Kaiser. Grundeinheit der patriarchalisch verfassten Gesellschaft war die Familie, der der Hausvater vorstand, Frauen besaßen einen entschieden niederen Status. Ähnlich wie im antiken Griechenland sah man Frauen schon körperlich als unvollkommen an, ganz im Unterschied zum rundum vollendeten Mann. Dem Familienvater kamen weitgehende Rechte und Pflichten zu, er war sozusagen der verlängerte Arm des Staates innerhalb der Familie und bestimmte die Ehepartner der Frauen seines Hauses; Liebesheiraten waren seltene Ausnahmen. Augustus hatte strenge Ehegesetze erlassen, die jeden zur Heirat verpflichteten, andererseits waren Scheidungen unproblematisch, auch konnten Frauen arbeiten, eigenen Besitz haben und am öffentlichen Leben teilnehmen. Römische Frauen hatten also mehr Möglichkeiten als
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