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Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt

Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt

Titel: Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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Bedeutung, weil damit die erste Epoche der Entdeckungsgeschichte zu Ende ging und klar wurde, dass es sich bei dem, was wir heute als Südamerika kennen, nicht um irgendwelche Inseln oder Inselgruppen handelte, sondern um einen weiteren Kontinent. Gleichzeitig markiert es den Beginn der portugiesischen Herrschaft in Südamerika, auch wenn Lissabon in den nächsten Jahrzehnten wenig Interesse an Brasilien zeigte. Immerhin vergab die Krone erste Konzessionen zur kommerziellen Nutzung des Brasilholzes, das dem Land den Namen eintrug.
    Dass Cabral im April 1500 nach Brasilien gelangte, steht nicht in Zweifel – heiß umstritten ist aber die Frage, ob er nicht vielleicht absichtlich dorthin gelangte, womöglich im königlichen Auftrag, um eine bereits erfolgte, wohlweislich aber geheim gehaltene Entdeckung nunmehr publik zu machen. Möglicherweise wusste oder vermutete man in Lissabon nämlich längst, dass südwestlich eine größere Landmasse lag, hatte aber bisher kein großes Aufhebens davon gemacht. Denn wäre diese Entdeckung gar noch vor dem Vertrag von Tordesillas erfolgt, hätten sich die Verhandlungen um die Aufteilung der Welt für Portugal vielleicht schwieriger gestaltet – der Verlauf der Tordesillas-Linie gibt bis heute Anlass zu entsprechenden Spekulationen. Als Cabral aufbrach, hatte er da also den Auftrag erhalten zu einer kleinen, aber wichtigen Abweichung von der Route, die Vasco da Gama genommen hatte? Damit wäre die Entdeckung eine fingierte Angelegenheit gewesen, mithin nicht echt. Diese Theorie lässt sich heute nicht mehr zweifelsfrei klären, entsprechende Beweise lassen sich nicht erbringen, weswegen die Forschung weiter streiten darf und wird. Die sogenannte intentionalistische Schule meint, dass die Geschichte mit dem zufälligen Abdriften Cabrals und seiner Männer den Tatbestand des Seemannsgarns erfüllt. Aus dem Bericht des Flottillenschreibers geht nämlich hervor, dass die Seeleute an Bord annahmen, sogar noch weiter westlich zu segeln, als sie es tatsächlich taten – das schließe aus, dass sie sich auf dem tatsächlichen Kurs, also weiter östlich, versehentlich befanden.    
    Die dem widersprechenden Kasualisten geben zu bedenken, dass die Wind- und Strömungsverhältnisse den genommenen Kurs geradezu erzwingen, dass Segeln weiter westlich also notwendig war, um nach Süden zu gelangen. Bis heute verläuft in der Tat die empfohlene Segelroute von der Iberischen Halbinsel zum Kap der Guten Hoffnung sehr weit westlich, nahe der brasilianischen Küste. So sei auch Vasco da Gama gefahren, und auch der war so weit nach Westen geraten, dass er Seevögel ausgemacht, wenn auch kein Festland gesichtet hatte. Und es sei ohnehin durchaus wahrscheinlich, dass ein Sturm die Kursabweichung erzwungen habe. Die Anhänger des unbeabsichtigten Abdriftens Cabrals stellen außerdem in Abrede, dass Lissabon bereits sichere Kunde vom westlichen Festland besaß, weil Vasco da Gama, der es hätte wissen müssen, davon nichts bekannt war. Zwar hegte schon der antike Geograph Ptolemäus die Annahme, südöstlich von Asien müsse noch viel Land sein, aber das waren stets Vermutungen gewesen. Abgesehen von Cabrals Zufalls- oder Absichtstat gibt es nur vage Hinweise, aber keinerlei gesicherten Nachweis, dass bereits 1498 eine portugiesische Expedition unter Duarte Pacheco Pereira unweit Pará Brasilien erreichte. Und wenn dem doch so war, ist zweifelhaft, ob Pereira feststellen konnte, ob er sich im spanischen oder portugiesischen Sektor nach den Bestimmungen von Tordesillas befand.
    Gesichert ist hingegen, dass nur ein Vierteljahr vor Cabral Anfang 1500 der spanische Seefahrer Vicente Yáñez Pinzón an die Nordostküste Südamerikas gelangte, zwischen Recife und Fortaleza landete und die Amazonasmündung entdeckte. Pinzón hatte an der ersten Fahrt des Kolumbus teilgenommen und nahm im Dezember 1499 mit vier Schiffen über die Kanarischen und die Kapverdischen Inseln Kurs nach Südwesten. Am 20. Januar 1500 erreichten er und seine Männer das Festland und nannten den Ort Santa María de la Consolación (Heilige Maria des Trostes) – mehr als 600 Meilen weiter nördlich als Cabral. Nach einer blutigen Begegnung mit Einheimischen segelten die Spanier weiter in Richtung Äquator und erreichten schließlich die Mündung eines gewaltigen Stroms: des Amazonas. So breit war die Mündung, dass erst die Tatsache, dass hier Süßwasser ins Meer floss, Sicherheit gab, dass es sich nicht um ein Meer

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