Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt
Friedliche Revolutionen, von denen das ansonsten überaus brutale 20. Jahrhundert zu seinem Glück einige erlebte, sind die Ausnahme – wie zuletzt die Revolutionen der arabischen Welt im 21. Jahrhundert erwiesen. Gewalt und Terror gehören also zur Geschichte der Französischen Revolution, aber sie waren nicht ihr Ziel. Der britische Historiker David Andress befand, der Terror sei vor allem die Konsequenz aus dem Bürgerkrieg, aus dem Mangel an Konsens und der äußeren Bedrohung geworden. Und doch: In ihrer Bedeutung für die Gegenwart mögen die Verdienste der Französischen Revolution ihre Verirrungen und Monstrositäten überstrahlen. Kann aber jemals Terror gerechtfertigt sein? Für die bedauernswerten Opfer der anderthalbjährigen Schreckensherrschaft machte es wenig Unterschied, warum sie ihr Leben lassen mussten: aufgrund von fanatischer Verblendung oder weil nur so das Überleben der Revolution und ihrer Ideale gesichert werden konnte.
Das Heilige Römische Reich ging 1806 sang- und klanglos unter – IRRTUM!
Im Hochsommer 1806 ging ein Tausendjähriges Reich unter: das Heilige Römische Reich, das mit der Kaiserkrönung Karls des Großen im Jahr 800 begründet worden war und seit 962, als der Sachsenherzog Otto I. in Rom zum Kaiser gekrönt wurde, ununterbrochen bestand. Es war ein eigenartiges Gebilde, das bis heute Schüler verzweifeln lässt, weil es in seiner Struktur nicht leicht fassbar ist: keine festen Grenzen, kein souveränes Oberhaupt, nicht einmal ein lockerer Staatenbund, keine eigene Armee und lange Zeit nicht einmal eine Verfassung. Schwer begreiflich auch, wieso es sich im Namen auf Rom bezog, wenn doch der Kaiser zumeist in Wien saß, und seit dem 15. Jahrhundert noch den Zusatz »deutscher Nation« erhielt, wenn es doch über den deutschsprachigen Teil Europas weit hinausreichte. Am ehesten hilft noch die vage Definition, dass hier mit Hilfe der Aura des antiken Römischen Reiches und mit tatkräftiger Unterstützung des römischen Papsttums das Alte ideell fortgeführt wurde, um etwas Neues zu schaffen und dem Kontinent eine einende Klammer zu geben. Dafür, dass es sich bei diesem Reich um kein fixes Gebilde handelte, hat es eine erstaunliche Lebensdauer an den Tag gelegt und die Lebensumstände eines Großteils Mitteleuropas über lange Jahrhunderte geprägt.
Es war ein Ende nach langem Siechtum. Seit Mitte des 18. Jahrhunderts, seit 1740 in Wien Maria Theresia und in Berlin Friedrich II. ihre Regierung antraten, hatte sich abgezeichnet, dass dem komplexen, ehrwürdigen Gebilde kein langer Bestand mehr vergönnt sein würde. Das katholische Österreich, seit Jahrhunderten unangefochten im Besitz der Kaiserkrone, sah sich einem aufstrebenden protestantischen Preußen gegenüber, das Wien die Vormachtstellung im Reich streitig machen wollte. Dass Preußen nach drei Kriegen tatsächlich in die Reihe der europäischen Großmächte aufgestiegen war, brachte das fragile Gleichgewicht im Reich gehörig durcheinander. Vor allem die beiden Großen vernachlässigten aus Eigeninteresse das Wohl des Reiches, die kleineren Territorien konnten dem nur zusehen. Es zeichnete sich ab, dass die beiden Großmächte für ihren Machtegoismus notfalls das Reich opfern würden.
Aber das war, wenn auch ein gewichtiger, so doch nicht der einzige Grund für den Niedergang des einst so stolzen Gebildes. Zu viel hatte sich in ihm und darum herum verändert. Mit der Reformation und ihren politischen Auswirkungen galt die Bindung an die römische Kirche nur noch für einen Teil des Reiches, die militärischen und gesellschaftlichen Kämpfe der Konfessionen drohten das Gefüge zu sprengen. Auch waren die Zeiten andere, das Heilige Römische Reich erschien manchem Zeitgenossen als überkommen und antiquiert. In den letzten Jahrzehnten häuften sich Verstöße gegen die Reichsverfassung seitens der großen Mächte, und schließlich wurde das Ausgreifen der Französischen Revolution dem alten Staatengebilde zum Verhängnis.
Napoleon war es schließlich, der dem Reich das Totenglöcklein läutete – ihn deshalb aber als allein Schuldigen zu bezeichnen, wäre angesichts der langen Vorgeschichte verfehlt. Maßgebliche Totengräber waren zweifellos die Monarchen in Berlin und vor allem in Wien, und das Siechtum dauerte ja bereits an. Dann aber brachte der »Kaiser der Franzosen« die alte europäische Ordnung gehörig durcheinander und schickte sich an, unter französischer Vorherrschaft den Kontinent neu
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