Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt
»herrlichen Sonnenaufgang«, als den der deutsche Philosoph Hegel sie 1830 bezeichnete. Die Phase des Terreur dauerte von September 1793 bis Juli 1794, mithin weniger als ein Jahr. Sie nimmt also einen vergleichsweise kurzen Zeitraum der Revolution insgesamt ein. Und doch hat sie das strahlende Bild der Revolution mit ihren hehren Idealen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, mit ihrem Anspruch, Ungerechtigkeit und Willkür des Ancien Régime zu beenden, merklich verschattet.
In schwieriger innen- wie außenpolitischer Lage, bedingt durch Wirtschafts- und Hungerkrise, daraus erwachsenden Unruhen sowie eine anhaltende äußere Bedrohung durch die europäischen Mächte, die gegenüber der Republik militärisch an Boden gewannen, wurden im Frühling 1793 Notstandsgesetze verabschiedet. Als Radikalisierung und Brutalität aber anhielten, die Hysterie des allgegenwärtigen Verrats weiter grassierte und die Lage immer brenzliger wurde, verstaatlichte man gewissermaßen die Willkürgewalt. Revolutionsführer Georges Danton äußerte zu ihrer Legitimierung: »Seien wir schrecklich, damit es das Volk nicht sein muss.« Es war ein extremer Akt, Republik und Revolution zu schützen, indem im Inneren mittels Terror Ruhe hergestellt und der Staat handlungsfähig gehalten werden sollte, um den Herausforderungen zu begegnen. Überwachungsausschüsse wurden berufen und Volksvertreter mit weitgehenden Vollmachten in die Departements entsandt. Vor allem das Revolutionstribunal in Paris, aber auch die Spezialtribunale vieler Städte machten tatsächlichen oder vermeintlichen Gegnern der Republik den Prozess. Ein Gesetz vom 10. Juni 1794 verschärft die Willkür noch, der Revolutionshistoriker François Furet sprach von einer »galoppierenden Repression«. Bevor die Schreckensherrschaft endlich beendet wurde, weil Regierungsmitglieder um ihr eigenes Leben fürchteten, fiel ihr noch seine Symbolfigur zum Opfer: »der Unbestechliche« Maximilien Robespierre.
In Deutschland wandten sich eben noch enthusiastische Beobachter wie Goethe oder Schiller schockiert ab. Der englische Dichter William Wordsworth beklagte in Versen voll Entsetzen, dass unterschiedslos Freund und Feind, Menschen aller Richtungen, Alter und Ränge verschwanden. Ein Kopf nach dem anderen rollte, und doch genügte das Blut jenen nie, die sie rollen ließen. Die Bilanz des Großen Terrors fällt in der Tat grauenhaft aus: Allein im Frühsommer 1794 wurden nur in Paris rund 1400 Hinrichtungen vollstreckt und die höchst effektive Guillotine derart beansprucht, dass man auf weitere Arten der Urteilsvollstreckung zurückgriff. Im Ganzen dürfte die Schreckensphase 17000 Menschenleben gefordert haben (davon über 2600 in Paris), bei rund einer halben Millionen Inhaftierten.
Die Phase des Terreur gilt aber weithin nicht nur als Makel der Revolution, ja als Verrat der Revolutionäre an der eigenen Sache. Noch weiter geht die Einschätzung vieler Historiker, es habe sich dabei nicht etwa nur um einen bedauerlichen Fehltritt gehandelt, sondern um eine notwendige, wenn auch tragische Konsequenz, ein grundlegendes Element der Französischen Revolution und in ihr gewissermaßen angelegt. Danach entblößte die Terrorherrschaft des Wohlfahrtsausschusses gewissermaßen die fundamentalistische Fratze der Revolution.
Es ist allerdings nicht so, dass die Revolution von Anfang an mit dem Ziel begonnen hätte, ihre Gegner allesamt unter die Guillotine zu bringen und die Blutorgie mit dem Königsmord zu krönen. Ludwig XVI. wurde erst im Januar 1793 hingerichtet – dreieinhalb Jahre nach Beginn des Umsturzes und unter dem Eindruck einer aus dem Ausland gesteuerten Verschwörung gegen die Revolution. Zuvor ging die Entwicklung vielmehr in Richtung einer konstitutionellen Monarchie nach englischem Vorbild. Erst die begründete Befürchtung einer Invasion aus dem Ausland setzte die Radikalisierung in Gang; die Flucht der königlichen Familie nach Varennes Ende Juni 1791 war gewissermaßen der Startschuss dafür. Dann allerdings gewann Robespierre die Oberhand und machte den Fanatismus zum Programm. Er betonte, Tugend sei das Mittel der Wahl für Friedenszeiten, in Zeiten der Revolution aber müsse sie mit terreur , mit Schrecken, ergänzt werden, weil sie sonst zahnlos sei. Bemerkenswert ist, dass die Jakobiner sich in der Ausführung ihrer Schreckensherrschaft auf Polizei und Armee stützen konnten und nicht, wie spätere Diktaturen, einen eigenen Terrorapparat
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