Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt
Aufenthalten in Madrid und London (unfreiwillig, sie wird wegen des Spionageverdachts auf der Schiffsreise nach Amsterdam festgesetzt) kehrt Mata Hari Anfang 1917 nach Paris zurück und wird sechs Wochen später in einem Hotel in der Avenue des Champs-Élysées verhaftet. Längst hat sie sich bei den Nachrichtendiensten dreier Länder verdächtig gemacht: Außer Franzosen und Engländern vermuten auch die Deutschen hinter der Edelkurtisane eine feindliche Spionin.
Zu dieser Zeit war die Angst vor einer französischen Niederlage größer denn je und die Nerven in der Hauptstadt zum Zerreißen angespannt. Der zermürbende Krieg wollte kein Ende nehmen, schon gar kein siegreiches, und der französische innenpolitische Burgfrieden, die »Union sacrée«, drohte zu zerbrechen. Der uneingeschränkte U-Boot-Krieg hatte eingesetzt, der Verbündete Russland fiel seit der Februarrevolution mehr oder weniger aus, die USA beteiligten sich noch nicht auf alliierter Seite. Die Stimmen für einen sofortigen Friedensschluss mit Deutschland wurden immer lauter.
Für Meutereien in der Armee, Defätismus an der »Heimatfront« und Streikaktionen mit der Beteiligung Hunderttausender angesichts der vielerorts dramatisch schlechten Versorgungslage wurde feindliche Agitation verantwortlich gemacht, was die Spionagehysterie abermals befeuerte. Da kam der Prozess gegen eine mutmaßliche Spionin, noch dazu eine so verruchte und schillernde Frau wie Mata Hari, der Regierung ebenso gelegen wie der sensationshungrigen Presse. Der ermittelnde Richter Pierre Bouchardon sollte nach dem Krieg auch den früheren Premierminister Joseph Caillaux, der sich für einen Verhandlungsfrieden mit dem Deutschen Reich eingesetzt hatte, hinter Gitter bringen. Aus französischer Blickrichtung lag das feindliche Deutschland sozusagen in Richtung Orient, und dessen »Auge« Mata Hari wurde zur Waffe des Feindes stilisiert, die es auszuschalten galt. Äußerste Härte schien angebracht, ebenso wie man schon gegen Meuterer und Streikende im eigenen Land brutal und schonungslos vorgegangen war. Ihr Ankläger vor dem Pariser Kriegsgericht ging so weit, Mata Hari zur »mutmaßlich größten Spionin unseres Jahrhunderts« zu erklären, die »unermesslichen Schaden« angerichtet habe – da war das 20. Jahrhundert noch sehr jung.
Am 24. Juli begann, nach monatelanger Untersuchungshaft und wochenlangen Verhören, unter Ausschluss der Öffentlichkeit der nur zweitägige Prozess, in dem es vor allem um Geld ging, das Mata Hari von ihren Liebhabern erhalten hatte, darunter von Mitgliedern des deutschen Geheimdienstes. Das Deuxième Bureau hatte entsprechende Telegramme des deutschen Militärattachés in Madrid nach Berlin abgefangen. Mata Hari bestritt die Zahlungen nicht, sie sei schließlich die Geliebte des Attachés gewesen. Dass er allerdings das Geld seiner Berliner Zentrale in Rechnung gestellt habe, sei schändlich für ihn. Sie gab außerdem zu, in einer Pariser Bank Geld in Empfang genommen zu haben, und ebenso, vom deutschen Konsul in Amsterdam bezahlt worden zu sein, um in Paris Informationen zu sammeln. Eine solche Tätigkeit habe sie aber nie im Sinn gehabt, sondern vielmehr die Summe als Entschädigung für die Pelze verstanden, die bei Kriegsbeginn in Berlin beschlagnahmt worden seien. Kaum hilfreich war wohl ihr ungeschicktes Auftreten vor Gericht und ihre Selbstdarstellung als Kosmopolitin, die Frankreich gegenüber keine Loyalität zeigen müsse und auch mit Bürgern feindlicher Länder befreundet sein dürfe – in der aufgeladenen Atmosphäre eines Landes, das sich in die Ecke gedrängt sieht, ein klares Eigentor. Ihr Verteidiger und früherer Geliebter agierte kaum glücklicher, zumal er keinerlei Erfahrung mit Militärstrafprozessen besaß. Auch ihre zahlreichen hochkarätigen Bekanntschaften eilten ihr nicht zu Hilfe – nur zwei mutige der zahlreichen Exliebhaber sagten zu ihren Gunsten aus.
Der Spionage für schuldig befunden wurde Mata Hari aufgrund ihrer Beziehungen zu den deutschen Diplomaten in Madrid und Amsterdam. Eigentlich konnte man ihr nicht mehr nachweisen als diese Feindkontakte, denn für die Weitergabe von Informationen oder tatsächliche Spionagetätigkeit wurde kein Beweis erbracht. Gleichwohl erkannte das Kriegsgericht auf die Todesstrafe, die am 15. Oktober vollstreckt wurde. Ohne Augenbinde und mit auf den Rücken gefesselten Händen wurde sie in der Festung Vincennes vor Paris von einem Erschießungskommando ins
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