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Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt

Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt

Titel: Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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Mittelmächte. Deutsches Reich und Österreich-Ungarn waren damit in keiner Position zu verhandeln, vielmehr mussten sie empfindliche Gebietsverluste und eine erdrückende Reparationslast hinnehmen – die Donaumonarchie wurde sogar ganz aufgelöst. In Deutschland erwuchsen aus den harten Friedensbedingungen massive wirtschaftliche Probleme und ein Gefühl der übermäßigen Demütigung, was als einer der Gründe für den Aufstieg des Nationalsozialismus angesehen werden darf, der wiederum Europa in einen neuen, noch verheerenderen Krieg stürzte. Abgesehen vom Ausmaß der militärischen Niederlage der Mittelmächte und ihrer Verbündeten stand für den Großteil der Bevölkerung der Siegermächte fest, dass das Deutsche Reich als Verantwortlicher für den verheerenden Krieg zur Rechenschaft zu ziehen war. Ihre Vertreter auf der Anfang 1919 eröffneten Pariser Friedenskonferenz sahen das kaum anders. Nicht zuletzt, um die Deutschland auferlegten empfindlichen Gebietsverluste und eine erdrückende Reparationslast zu rechtfertigen, wurde dem Versailler Vertrag eine Mantelnote zur Seite gestellt, die dem Deutschen Reich die Hauptverantwortung am Krieg zuschrieb. Berlin habe »einen in Abhängigkeit gehaltenen Bundesgenossen« (gemeint ist Österreich-Ungarn) zum Krieg ermuntert und diplomatische Verhandlungen zu seiner Verhinderung vereitelt. Gleichzeitig ist vom »verbrecherischen Charakter des von Deutschland angefangenen Krieges« die Rede: »Deutschland ist in gleicher Weise für die rohe und unmenschliche Art, auf die er geführt wurde, verantwortlich.« Der vormalige Kaiser Wilhelm II., inzwischen im niederländischen Exil, sollte an die Siegermächte ausgeliefert und vor Gericht gestellt werden.
    Die Sache scheint also klar, und der Sturm der Entrüstung in Deutschland zwar verständlich, aber in der Sache nicht wirklich ernst zu nehmen. Die Reichsregierung sah sich ja ohnehin gezwungen, den Vertrag anzunehmen; nur sehr geringe Abmilderungen konnten noch erreicht werden. Wieso wurden dann aber seither ganze Bibliotheken mit Untersuchungen und Abhandlungen darüber gefüllt, wer die Schuld am Ersten Weltkrieg trägt?
    Beginnen wir bei der Pariser Konferenz. Dass dort das Deutsche Reich so ausdrücklich und unmissverständlich als Hauptverantwortlicher benannt wurde, ist auch der deutschen Verhandlungsdelegation unter Graf von Brockdorff-Rantzau zuzuschreiben. Zwar wurde nicht mit, sondern über den Kriegsverlierer verhandelt, aber der Außenminister machte die Schuldfrage zu einem wichtigen Thema, weil er Deutschlands Alleinschuld nicht akzeptierte. Das erst veranlasste die Siegermächte, eine eindeutige und einseitige Schuldzuweisung vorzunehmen und schriftlich niederzulegen. Die Mantelnote ist jedoch nicht Teil des Vertragswerks. Die Regelungen zur »Wiedergutmachung« des Friedensvertrages beginnen mit dem Artikel 231, der als »Kriegsschuldartikel« Berühmtheit erlangte, obwohl er diese Frage gerade nicht beantwortet. Dort heißt es zur Begründung der Deutschland auferlegten Wiedergutmachungsbestimmungen: »Die alliierten und assoziierten Regierungen erklären, und Deutschland erkennt an, daß Deutschland und seine Verbündeten als Urheber für alle Verluste und Schäden verantwortlich sind, die die alliierten und assoziierten Regierungen und ihre Staatsangehörigen infolge des ihnen durch den Angriff Deutschlands und seiner Verbündeten aufgezwungenen Krieges erlitten haben.« Dieser Satz wurde wortgleich und auf Österreich-Ungarn bezogen auch in den Vertrag von Saint-Germain übernommen. Es geht hierbei um die juristische Haftung der Achsenmächte für die Kriegsschäden, weil die Kriegserklärungen von Österreich-Ungarn an Serbien vom 28. Juli 1914 sowie von Deutschland an Russland (1. August 1914) und Frankreich (3. August 1914) den Ersten Weltkrieg ausgelöst haben. Da die Urheberschaft aber nicht automatisch die Schuldfrage beantwortet, wurde über diese seither viel gestritten, geforscht und geschrieben. Denn die Sache ist alles andere als einfach.
    Der Versailler Vertrag sah außerdem vor, dass Kaiser Wilhelm II., der inzwischen im holländischen Exil lebte, vor einem alliierten Gericht zur Rechenschaft gezogen werden sollte. Doch wie genau sieht es mit seiner Verantwortung aus? Wie weit reichte seine Macht, gingen deutsche Entscheidungen auf ihn zurück? Der letzte deutsche Kaiser war zweifellos ein schwieriger, getriebener und überheblicher Zeitgenosse, dessen Auftreten national wie

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