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Irrweg Grundeinkommen

Irrweg Grundeinkommen

Titel: Irrweg Grundeinkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Meinhardt und Dieter Vesper Friederike Spiecker Heiner Flassbeck
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Aufgrund des Kurzarbeitergelds kehrt sich das Verhältnis der Kurven im Jahr 2009 um. Seither liegen beide Wachstumsraten zwischen null und zwei Prozent.
    Welche Wirkung hat diese Entwicklung der realen Stundenlöhne auf Lohnsumme, Masseneinkommen, verfügbare Einkommen der privaten Haushalte und den privaten Verbrauch? Ist das Ziel, mit Lohnzurückhaltung mehr Arbeitsplätze zu schaffen als bei produktivitätsorientierter Entlohnung, erreicht worden?
    Wirkt Lohnzurückhaltung dämpfend auf die Nachfrage?
    Die Hoffnung der Verfechter einer zurückhaltenden Lohnpolitik ist, dass diese Strategie zunächst die Gewinne der Unternehmen stärker fördert und so ein finanzielles Polster schafft, das zu mehr Investitionen anregt. Investitionen ziehen, wie oben gezeigt, positive Beschäftigungseffekte nach sich, so dass auf diese Weise Arbeitslosigkeit abgebaut werden kann – vorausgesetzt, der Clou mit den sich durch Lohnzurückhaltung positiver entwickelnden Gewinnen stimmt tatsächlich. Stimmt er nicht, gibt es auch keine vermehrten Investitionen und keine erhöhte Beschäftigung; dann wäre die Lohnzurückhaltung zum Schaden derjenigen, die einen Job haben, und womöglich darüber hinaus problematisch für die gesamte Volkswirtschaft. Denn, so fragen Skeptiker, hinterlässt die Lohnzurückhaltung nicht ein Loch in den Portemonnaies der Arbeitnehmer und damit ein Loch beim Konsum?
    Die Befürworter der Lohnzurückhaltung argumentieren, dass gerade durch die Ausweitung der Beschäftigung dank moderater Lohnkosten die private Konsumnachfrage keinen lohneinkommensbedingten Dämpfer erhält, sondern kurz- bis mittelfristigmindestens genauso gut läuft und auf Dauer sogar besser, als wenn die (Real-)Löhne im Einklang mit der Produktivität gestiegen wären. Und fairer, ja gesellschaftspolitisch erwünschter sei eine solche Entwicklung allemal, da sie Menschen am Arbeitsmarkt zum Zuge kommen lasse, die sonst keine Chance auf einen Arbeitsplatz hätten. Der Preis dafür – die Taschen derjenigen würden weniger stark gefüllt, die zu den glücklichen Jobbesitzern gehörten – sei angemessen. Denn die Arbeitslosen säßen nie direkt mit am Verhandlungstisch, wenn es um die Höhe der Löhne und damit um ihre Beschäftigungschancen gehe. Dem Lohn wird in dieser Betrachtungsweise also eine größere Bedeutung als Kostenfaktor (und »Arbeitsplatzverhinderer«) und eine geringere Bedeutung als Nachfragefaktor (und »Arbeitsplatzmotor«) beigemessen.
    Stimmt diese Einschätzung, dann muss rein rechnerisch die preisbereinigte Lohnsumme in Zeiten der Lohnzurückhaltung auf jeden Fall stärker steigen als der reale Stundenlohn. Anderenfalls läge ein absoluter Rückgang der geleisteten Arbeitsstunden vor, der auf zunehmende Probleme am Arbeitsmarkt hindeutet. Denn wenn keine freiwillige Arbeitszeitverkürzung vorgenommen wurde, bedeuten rückläufige Zahlen bei den geleisteten Arbeitsstunden steigende Arbeitslosigkeit – ob offen oder verdeckt, spielt für die Argumentation keine Rolle.
    Lohnsumme und Reallohn
    Die drei oben identifizierten Phasen von Lohnzurückhaltung in den Jahren 1982 bis 1991, 1993 bis 2002 und 2003 bis 2008 44 unterscheiden sich zum einen im Ausmaß der Lohnzurückhaltung (einmal 0,6, dann 0,4 und schließlich 1,3 Prozentpunkte jährlich). Zum anderen gehen sie mit unterschiedlichen Lohnsummenentwicklungen einher. In den 1980er Jahren lag das Wachstum der mit dem Deflator des Bruttoinlandsprodukts preisbereinigten Lohnsumme immerhin einen halben Prozentpunkt über dem der Reallöhne. In den 1990er Jahren kehrte sich das um: Die Lohnsumme hinkte hinter dem Reallohnwachstum um ein halbes Prozent jährlich hinterher. Inder Phase ab 2003 war es wieder genau umgekehrt. Spiegelbildlich dazu stieg die Zahl der geleisteten Stunden in der erstgenannten und der zuletzt genannten Phase um 0,5 Prozent, dazwischen sank sie um 0,5 Prozent. Die Zahl der beschäftigten Personen nahm jedoch durchgehend zu, was die steigende Zahl von Teilzeitarbeitsplätzen und Arbeitszeitverkürzung reflektiert.
    In diesem ersten Überlegungsschritt liefert die Lohnzurückhaltung also ein gemischtes Bild im Hinblick auf den Arbeitsmarkt, keinesfalls ein durchgehend positives. Doch reicht zur Beurteilung der Wirkung von Lohnzurückhaltung das Kriterium, wie das Lohnsummenwachstum im Vergleich zu dem des Reallohns ausfällt, nicht aus. Die Latte für den Erfolg von Lohnzurückhaltung muss höher gelegt werden. Denn um eine angemessene Auslastung

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