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Irrweg Grundeinkommen

Irrweg Grundeinkommen

Titel: Irrweg Grundeinkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Meinhardt und Dieter Vesper Friederike Spiecker Heiner Flassbeck
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entsprechend boomende Beschäftigungssteigerung ausgeglichen wurde. Dass sich die Beschäftigungssituation dennoch in dem Sinne verbessert hat, dass mehr Menschen arbeiten (wenn auch zu durchaus fragwürdigen Bedingungen), steht nicht im Widerspruch zu diesem Befund. Denn die entscheidende Frage ist ja nicht, ob die Beschäftigung überhaupt zugelegt hat, sondern ob das mehr oder weniger war, als wenn man eine strikt an der Produktivität orientierte Lohnstrategie verfolgt hätte.
    Lohnwachstum, Konjunktur und gesamtwirtschaftliches Wachstum
    Wie kommt ein für die Auslastung des gesamtwirtschaftlichen Kapitalstocks ausreichendes Wachstum der Gesamtnachfrage bei positiven Nettoinvestitionen zustande? Die systemkonforme und zugleich fairste Möglichkeit ist, den realen Stundenlohn im Durchschnitt der Gesamtwirtschaft in dem Tempo steigen zu lassen, wie die gesamtwirtschaftliche Produktivität – über einen längeren Zeitraum betrachtet – durchschnittlich zunimmt. 50 Fair ist diese Lohnregel, weil zwar jede Arbeitskraft entsprechend ihrer Knappheit unterschiedlich hoch bezahlt werden kann, 51 aber an der allgemeinen Wohlstandssteigerung der Gesellschaft teilhat. Systemkonform ist diese Regel aus drei Gründen:
      Erstens sorgt sie dafür, dass die Arbeitskräfte in keiner Branche, egal welche Produktivitätssteigerungen dort realisiert werden können, von der gesamtgesellschaftlichen Wohlstandsentwicklung quasi abgehängt werden. Das ist die zentrale Voraussetzung dafür, dass sich dauerhaft Menschen bereitfinden, sich für Branchen ausbilden zu lassen und in ihnen tätig zu sein, die systematisch weniger Produktivitätssteigerungen bewerkstelligen können als andere. 52
      Zweitens zwingt diese Lohnregel die Unternehmer auf einen vom Wettbewerb getriebenen Innovationspfad: Nur wer innovativist und seine unternehmenseigene Produktivität steigert, kann der Lohnsteigerung gemäß durchschnittlichem Produktivitätswachstum etwas entgegensetzen. Liegt der Unternehmer mit seiner Innovation über der durchschnittlichen Produktivitätszunahme, bleibt ihm trotz Lohnsteigerung ein Gewinnplus und/oder ein Marktanteilsgewinn. Liegt er unter dem Durchschnitt, macht er entweder weniger Gewinn als zuvor und/oder muss sogar die Preise seiner Produkte erhöhen. Ob ihn eine Preissteigerung Marktanteile kostet, hängt hauptsächlich davon ab, wie es seinen Konkurrenten geht: Haben alle Anbieter seiner Branche das gleiche Problem, mit der durchschnittlichen Produktivitätsentwicklung nicht Schritt halten zu können, weil es in der Branche generell weniger Rationalisierungspotential gibt als anderswo, steigen die Preise bei allen Anbietern in der Branche und sind daher die Marktanteile des einzelnen nicht grundsätzlich gefährdet. Allerdings wächst die Branche dann tendenziell unterdurchschnittlich, es sei denn, die Nachfrage nach Gütern dieser Branche steigt ab einem bestimmten Einkommensniveau relativ stärker als im Durchschnitt der Wirtschaft. 53 Ist die unterdurchschnittliche Produktivitätsentwicklung des einzelnen Unternehmers jedoch sein ganz spezifisches Problem, das heißt, geht es seinen Konkurrenten besser, dann verliert er nach und nach im Wettbewerb und muss versuchen, wieder Anschluss an die Innovationen der Konkurrenten zu bekommen etwa durch Nachahmung oder eigene neue Ideen. Anderenfalls scheidet das Unternehmen irgendwann aus dem Markt aus.
      Drittens und vor allem sorgt die genannte Lohnregel dafür, dass das System Marktwirtschaft nicht genau an seiner Kraft zu Produktivitätssteigerungen durch Wettbewerb zugrunde geht. Verläuft die Entwicklung der realen Stundenlöhne parallel zu der der realen Stundenproduktivität, tritt genau der Fall nicht ein, dass mangels Einkommen nicht nachgefragt und konsumiert wird, was bei Normalauslastung und wachsendem Kapitalstock produziert wird.
    Für die deutsche (Lohn-)Politik ist die mit Abstand wichtigste Aufgabe das Zurückdrängen des Niedriglohnsektors – seine Schaffung ist das Grundübel der Fehlentwicklungen der vergangenen Jahre. Vom flächendeckenden Mindestlohn über das Zurückdrängen von Zeit- und Leiharbeit bis hin zu Allgemeinverbindlichkeitserklärungen von Tarifverträgen gibt es ein breites Spektrum der Verbesserungsmöglichkeiten.
    Prinzipiell muss aber die gesamte Rollenverteilung in der Wirtschaftspolitik verändert werden. Da die Lohnpolitik vor allem die Inflationsrate bestimmt, nicht aber die Beschäftigung, ist die derzeit vorherrschende

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