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Irrweg Grundeinkommen

Irrweg Grundeinkommen

Titel: Irrweg Grundeinkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Meinhardt und Dieter Vesper Friederike Spiecker Heiner Flassbeck
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Rollenverteilung, bei der die Notenbank ausschließlich für die Inflation zuständig ist und sich nicht mit anderen Bereichen koordiniert, extrem ineffizient. Durch eine an der Produktivität plus Inflationsziel ausgerichtete Nominallohnpolitik erhält die Notenbank die Freiheit, ohne Inflationsbefürchtungen die Wirtschafts- und Investitionstätigkeit so anzuregen, dass Vollbeschäftigung möglich wird. Das erfordert eine Änderung des Maastricht-Vertrages, der unsinnigerweise nur auf die Notenbank als Hüter der Stabilität setzt, und es bedeutet implizit die Rückkehr zu der Rollenverteilung, welche die »goldenen« 1950er und 1960er Jahre geprägt hat.
    Die Außenwirtschaft als Helfer in der selbstverschuldeten Not
    In der Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland waren die Entwicklungen von privatem Verbrauch und Bruttoinlandsprodukt – trotz allem konjunkturellen Auf und Ab von Investitionen, staatlicher Aktivität und Außenhandel – jahrzehntelang stark aneinander gebunden. Bei dem Gewicht, das der private Verbrauch unter allen Nachfrageaggregaten hat (mit derzeit rund 56 Prozent weit über die Hälfte), ist das nicht verwunderlich. Es gab Zeiten, in denen der private Verbrauch etwas stärker wuchs als die gesamte Wirtschaftsleistung der Bundesrepublik (so etwa in den 1960er bis Mitte der 1970er Jahre), und Zeiten, in denen beide Größen praktisch im gleichen Tempo zunahmen (so in den 1980er und 1990er Jahren). Dass aber der private Konsum gegenüber dem Gesamtwachstumder Wirtschaft deutlich hinterherhinkt, das ist neu. Diese Entkoppelung hat mit dem Aufschwung 2005 begonnen, wie aus Abbildung 14 deutlich wird. Wie war das möglich?
    Abbildung 14: Wirtschaftsleistung und privater Verbrauch in Deutschland

    Quelle: AMECO Datenbank (Stand Mai 2012); Werte 2012: Prognose der EU-Kommission; eigene Berechnungen
    Zwar zogen die Investitionen in Ausrüstungen und Wirtschaftsbau nach 2005 wieder an (vgl. Abbildung 10), aber den wesentlichen Wachstumsschub unter den Nachfrageaggregaten lieferte der Außenhandel: Die Nachfrage, die das Ausland nach deutschen Gütern mehr entwickelte als das Inland nach ausländischen Gütern, also der Überschuss der Ausfuhren über die Einfuhren, nahm eklatant zu. Das schlug sich in der deutschen Leistungsbilanz in einem historisch zuvor nie erreichten Niveau des Saldos, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, nieder (Abbildung 15). In absoluten Milliardenbeträgen hieß das in der Spitze im Jahr 2007 über 180 Milliarden Euro Mehreinnahmen oder, umgekehrt ausgedrückt, eine Erhöhung der Verschuldung des Auslands in Deutschland um eben diesen Betrag.
    Seinen Ruf als exportstarkes Land hatte die Bundesrepublik zwar schon in den 1960er und 1970er Jahren erworben, doch bewegten sich die Überschüsse damals in einer Bandbreite von null bis zwei Prozent der Wirtschaftsleistung. Infolge der zweiten Ölpreiskrise war die Leistungsbilanz 1980 sogar auf minus zwei Prozent eingebrochen, erholte sich dann aber bis 1982 wieder. Anschließend nahmen die Exportüberschüsse einen steilen Aufschwung: Getrieben von einer irrationalen Aufwertung des US-Dollar unter der Regierung Reagan schoss der Saldo innerhalb von vier Jahren auf vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts hoch und verharrte auf diesem für damalige Verhältnisse hohen Niveau immerhin weitere vier Jahre. Erst mit der von der internationalen Staatengemeinschaft erzwungenen Wende beim Dollar und der deutschen Wiedervereinigung brach der Saldo ein: Dafür sorgte ein starker Importsog aus Ostdeutschland, der sich aus jahrelang aufgestauten Konsumbedürfnissen der Menschen in den neuen Bundesländern speiste. 54
    Wichtig an dieser Stelle ist zu verstehen, dass der Einbruch der Leistungsbilanz 1991 nicht einen plötzlichen Verlust an Wettbewerbsfähigkeit der west deutschen Industrie signalisierte. Nicht die westdeutsche Wettbewerbsfähigkeit war über Nacht zusammengebrochen, sondern der westdeutsche Exportmarkt hatte sich fundamental verlagert, nämlich zu großen Teilen sozusagen ins ostdeutsche Inland. Das musste sich auf gesamtdeutscher Ebene zwangsläufig in einem Wegfall der Exportüberschüsse zeigen. Ostdeutschland selbst hatte mangels wettbewerbsfähiger Industrie keinerlei Basis für einen ausgeglichenen Handel und rutschte tiefer ins Defizit, als man es sich hatte vorstellen können.
    Doch sollte sich das Bild des gesamtdeutschen Handels kurze Zeit nach Beginn der Europäischen Währungsunion (EWU) wieder vollständig

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