Irrweg Grundeinkommen
entsprechend große Defizite im Außenhandel geben. Je nach Verteilung respektive Konzentration dieser Defizite treten damit aber möglicherweise anderswo Finanzierungsprobleme auf, weil an den internationalen Kapitalmärkten dauerhafte Außenhandelsdefizite als Mangel an Wettbewerbsfähigkeit interpretiert werden. Kapitalgeber können daran zu zweifeln beginnen, dass ein Land seine Auslandsschulden bedienen und irgendwann auch wieder tilgen kann, wenn es über längere Zeiträume nicht in der Lage ist, statt Außenhandelsdefizite auch einmal Überschüsse zu erzielen. Das kann neben den Defizitländern auch die Überschussländer, langfristig gesehen, in Schwierigkeiten bringen, weil deren Forderungen gegenüber dem Ausland, also ihrem Auslandsvermögen, (Teil-)Entwertung droht. Ob eine Entwertung durch Wechselkursanpassung oder Zahlungsausfälle vonstatten geht, hängt davon ab, in welchem Währungsregime sich die Handelspartnerländer befinden, sprich: ob die Länder eigenständige Währungen besitzen oder in einer Währungsunion miteinander verbunden sind.
Freie Devisenmärkte neigen in der Regel nicht zu einem kurzfristigen und »passgenauen« Ausgleich der Inflationsdifferenzen zwischen Ländern. Dem steht vor allem die Möglichkeit im Wege, durch Spekulation auf Zinsdifferenzen (per sogenannter carry trades) schnell sehr viel Geld zu verdienen. Solange den Finanzmarktakteuren diese Möglichkeit nicht durch ein Weltwährungssystem genommen wird, das für den systematischen und zeitnahen Ausgleich von Inflationsdifferenzen sorgt, muss mit über- und unterschießenden Anpassungsreaktionen der Devisenmärkte gerechnet werden, das heißt mit großen Wechselkursschwankungen. Langfristig wird die Fehlbewertung einer Währung von den Finanzmarktakteuren sehr wohl zur Kenntnis und schließlich zum Anlass genommen, Spekulationsblasen platzen zu lassen. Doch diese Art der Anpassung ist regelmäßig mit deutlichen Bremsspuren in der Realwirtschaft verbunden, also sehr kostspielig, bisweilen geradezu verheerend, wie die Finanzkrisen in Asien und in Lateinamerika in den 1990er Jahren zeigten. Daher ist es verständlich, dass Länder, die negative Erfahrungen mit freien Devisenmärkten gemacht haben, ihren Wechselkurs durch ihre nationale Notenbank einseitig zu kontrollieren oder zumindest abzufedern versuchen oder Kapitalverkehrskontrollen einführen. 56
Besitzt das Land keine eigene Währung, sondern ist es Mitglied einer Währungsunion, entfällt die Möglichkeit der freien oder kontrollierten Auf- oder Abwertung seiner Währung bei unterschiedlicher Entwicklung der Preisniveaus der Unionsmitglieder. Solange Abweichungen der Preisniveaus zwischen den Mitgliedsländern nicht systematisch über einen längeren Zeitraum in eine Richtung gehen bei den einen Ländern (zum Beispiel nach unten) und in die andere bei den anderen Ländern (also entsprechend nach oben), divergiert die Wettbewerbsfähigkeit nicht kontinuierlich. Dann kommt es auch nicht zu dauerhaften Handelsungleichgewichten innerhalb des Währungsraumes, die zu untragbaren Verschuldungs- und Gläubigerpositionen zwischen den Mitgliedsländern führen. Findet aber eine systematische Abweichungstatt, ohne dass Korrekturmaßnahmen ergriffen werden, zerfällt die Währungsunion.
Was bestimmt die Preissteigerungsrate eines Landes?
Zur Erklärung der Entwicklung des deutschen Außenhandels fehlt nun noch ein Baustein, nämlich die Erklärung der Entwicklung des nationalen Preisniveaus. Der entscheidende Faktor sind hier die gesamtwirtschaftlichen Lohnstückkosten. Unternehmen, die im Wettbewerb stehen, können die Angebotspreise ihrer Produkte nicht beliebig setzen, sondern müssen sich an den Stückkosten der Herstellung orientieren. Verlangen sie weit höhere Absatzpreise, um einen attraktiven Stückgewinn zu erzielen, gehen sie das Risiko ein, von der Konkurrenz unterboten zu werden und Marktanteile zu verlieren. Je nach Härte des Wettbewerbs auf dem betreffenden Markt lässt sich nur ein gewisser Preisaufschlag auf die Stückkosten als Gewinnanteil durchsetzen, der die unternehmerische Leistung entlohnt.
Veränderungen der Stückkosten müssen über kurz oder lang aus demselben Grund an die Kunden in Form von Preisänderungen weitergegeben werden. Steigen die Stückkosten, ginge ein Unternehmen auf Dauer pleite, wenn es seine Preise nicht anhöbe. Sinken die Stückkosten, sorgt der Konkurrenzkampf, wenn schon nicht augenblicklich, so doch nach und nach für
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