Irrweg Grundeinkommen
öffentlichen Gütern profitieren. Durch den Abbau sozialer Leistungen und die steuerpolitischen Maßnahmen – Senkung der progressiven Steuern, Erhöhung der regressiv wirkenden Verbrauchsteuern – hat die staatliche Politik die ohnehin äußerst ungleichgewichtige Einkommensverteilung der letzten Jahre ohne Zweifel verschärft.
Offensichtlich war es explizites Ziel der staatlichen Politik unter allen Regierungen in den Jahrzehnten der großen Umverteilung, die aus dem wirtschaftlichen Prozess entstandenen Ungleichheiten noch einmal zu vergrößern. Wie kommt ein Staat dazu, auf allen staatlichen Aktionsfeldern die Weichen so zu stellen, dass die zunehmend disparate Entwicklung im Bereich der privaten Wirtschaft noch einmal zugunsten der oberen Einkommensschichten verstärkt wird? Die Antwort ist einfach: Nur ein Staat, in dem die Regierung und die Opposition auf eine klare und logische Erklärung des Entstehens von Arbeitslosigkeit verzichten, weil sich beide von vorneherein auf die neoklassische Diagnose von zu hohen Löhnen und zu hohen Lohnnebenkosten einlassen, wird am Ende auch über Jahrzehnte die Möglichkeit haben, den Menschen weiszumachen, es gebe keine Alternative zu einem Kurs Umverteilung, bei dem die Reichen noch reicher und die Armen noch ärmer werden. Das kann man aus vielen Gründen beklagen. Wenn man aber darauf verzichtet, das Klagen durch eine neue Theorie der Arbeitslosigkeit zu unterfüttern, kann man auch das Klagen lassen.
Umverteilung durch die Sozialversicherung
Einen Teil der staatlichen Aufgaben hat der Staat auf die Sozialversicherung übertragen, deren Hauptfunktion es ist, so viele Menschen wie möglich gegen die Risiken des Einkommensausfalls bei Alter, Krankheit und Arbeitslosigkeit abzusichern. Der Leistungsbezug in diesem Bereich ist – vor allem bei den monetären Transfers – weitgehend durch das Äquivalenzprinzip geregelt. Die Höhe des Einkommens bestimmt bei einem für alle gleich hohen Beitragssatz die Höhe des monetären Transfers. Bis auf wenige Ausnahmen, zum Beispiel die Zuerkennung von zusätzlichen Beitragszeiten im Falle der Erwerbsminderung, entspricht einem hohen Einkommen auch eine hohe Leistung und umgekehrt. Bei den Sachleistungen und bei der Betroffenheit vom Versicherungsfall ist für den Bezug von Leistungen die Mitgliedschaft in dieser Versicherung als solche und ein festgestellter Bedarf entscheidend. Damit gibt es bei den Sachleistungen eine Umverteilung von den – zum Beispiel im Bereich der Krankenversicherung – Gesunden zu den Kranken oder bei der Arbeitslosenversicherung von den Arbeitenden zu den Arbeitslosen. Eine klare Zuordnung zu Reich und Arm gibt es hier nicht.
Bei allen gesetzlichen Versicherungszweigen schließt die Pflichtversicherung eine Beitragszahlung in Form eines bestimmten, von der Einkommenshöhe unabhängigen, konstanten Prozentsatzes des Einkommens ein. Allerdings wird nur das Einkommen berücksichtigt, das unterhalb der sich jährlich ändernden Beitragsbemessungsgrenze liegt. Eine gleich hohe Beitragsbemessungsgrenze gilt für die Renten- und Arbeitslosenversicherung, die für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung ist ebenfalls gleich hoch, aber niedriger als die der Renten- und Arbeitslosenversicherung. Für die einzelnen Einkommensbezieher oberhalb der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze sinkt somit die prozentuale Belastung bezogen auf ihr Gesamteinkommen.
Die monetären Leistungen werden – äquivalent zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze – limitiert. Für die Finanzierung jenerSachleistungen, die keiner Äquivalenz unterliegen, endet somit die Solidarität zur Mitfinanzierung der Leistungen an Bedürftige an der Beitragsbemessungsgrenze. Konkret bedeutet dies, dass zum Beispiel ein Arbeitnehmer mit einem Bruttoeinkommen von 3 000 Euro pro Monat in der gesetzlichen Krankenversicherung mit dem vollen Beitragssatz von 8,2 Prozent (2011) belastet wird, ein Arbeitnehmer mit dem doppelten Einkommen von 6 000 Euro hat dagegen nur eine Belastung des Einkommens von 5,1 Prozent – bei gleichem Anspruch auf gesundheitliche Leistungen. Bei einem Bruttoeinkommen von 8 000 Euro würde die Belastung auf 3,8 Prozent sinken. Alle Beitragszahler erlangen mit der Beitragszahlung die Absicherung für sich und für eventuell vorhandene, nicht selbst verdienende Familienmitglieder. Der Kreis der Versicherten wird somit aufgespaltet in den Kreis der Versicherten, die, jeweils bezogen auf ihr Einkommen, eine Belastung
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