Irrwege
und sie waren im Freien. Aber sie fühlten sich alle
ausgelaugt, erschöpft und mutlos. Und standen doch erst am Anfang.
Haplo tat den nächsten Schritt.
Der Boden unter seinen Füßen vibrierte. Die
Findlinge wackelten. Steinstaub und -Splitter rieselten in Kaskaden von der
Decke.
»Ganz still! Nicht bewegen!« befahl Haplo.
Sie blieben stehen, und das unterirdische
Grollen hörte auf.
»Das Labyrinth«, murmelte Haplo vor sich hin.
»Es gibt dir immer eine Chance.«
Er sah Marit an, die neben ihm stand.
Ihr Gesicht war zerschrammt, die Hände vom Sturz
aufgeschürft und blutig. Sie hielt den Blick starr auf den Ausgang gerichtet –
eine Veteranin, die die Wahrheit so gut kannte wie er.
»Was ist? Was ist los?« Alfreds bebende Stimme.
Haplo drehte langsam den Kopf. Alfred stand noch
auf dem schmalen Band, das bereits versucht hatte, Marit in den reißenden Fluß
zu stürzen. Er würde springen müssen, und Haplo wußte noch gut, welch ein Genie
Alfred darin war, Hindernisse dieser Art zu überwinden. Seine Füße waren größer
als der Felsvorsprung, auf dem er stand. Hugh Mordhand hatte den täppischen und
unfallträchtigen Sartan bereits davor bewahrt, in zwei Gruben und eine Spalte
zu fallen.
Der Hund hatte Alfred zu seinem besonderen
Schützling erkoren, blieb bei ihm und schnappte gelegentlich nach seinen
Fersen, um ihn in Trab zu halten. Jetzt legte das Tier den Kopf schief und
winselte unglücklich.
»Was ist los?« wiederholte Alfred ängstlich, als
niemand antwortete.
»Das Labyrinth will uns nur am Weitergehen hindern«,
erklärte Marit frostig.
»Liebe Güte.« Alfred war verdutzt. »Kann – kann
es das tun?«
»Was glaubst du denn, was all das bisher zu
bedeuten hatte?« fuhr Haplo ihn an.
»Aber, aber.« Alfred hob den Zeigefinger und
trat einen Schritt vor. »Das hört sich an, als wolltest du sagen…«
Der Fels buckelte wie ein störrischer Drache.
Alfred stieß einen Schrei aus und taumelte; der Hund schlug die Zähne in seine
Hose und hielt fest. Mit rudernden Armen und dem Beistand des Hundes gelang es
Alfred, das Gleichgewicht wiederzugewinnen. Die Lider fest zusammengekniffen,
drückte er sich an die Felswand, Schweiß perlte über seine hohe Stirn.
Im Innern der Höhle war es plötzlich totenstill.
»Tu das ja nicht wieder!« Marit preßte die Worte
zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch.
»Gesegneter Sartan!« stöhnte Alfred. Seine
Finger krallten sich in das Gestein.
Haplo fluchte. »Deine ›gesegneten‹ Sartan sind
für den Schlamassel hier verantwortlich. Du bist doch einer von ihnen.
Vielleicht kannst du uns verraten, wie wir heil aus dieser Mausefalle
herauskommen!«
»Ihr hättet mich lassen sollen, wo ich war«,
meinte Alfred kläglich. »Ich habe euch gewarnt, daß ich nur eine Last sein
würde. Kümmert euch nicht um mich, geht einfach weiter. Ich kehre um…«
»Rühr dich nicht vom…«, setzte Haplo an und verstummte.
Alfred hatte den Rückweg bereits angetreten, und
nichts geschah. Alles blieb ruhig.
»Warte!« rief Haplo.
»Laß ihn doch!« sagte Marit verächtlich. »Er hat
uns schon genug Zeit gekostet.«
»Das will das Labyrinth doch erreichen. Daß wir
ihn zurückschicken; daß er umkehrt, und ich will verdammt sein, wenn ich tue,
was das Labyrinth will. Hund, halt ihn fest!«
Der Hund nahm gehorsam Alfreds lange Rockschöße
zwischen die Zähne und stemmte die Pfoten ein. Alfred warf einen flehenden Blick
auf Haplo. »Was könnte ich denn tun, um euch zu helfen? Nichts.«
»Das glaubst du vielleicht, aber das Labyrinth
ist anderer Ansicht. So merkwürdig es scheint, Sartan, ich habe das Gefühl,
das Labyrinth fürchtet dich. Vielleicht, weil es seinen Schöpfer erkennt.«
»Nein!« Alfred hob abwehrend die Hände. »Nein,
nicht mich.«
»Ja, dich. Und durch deine Angst, deine
Schwäche, das Sichblind-Stellen nährst du das Böse, gibst ihm Kraft.«
Alfred schüttelte den Kopf und zerrte an seinen
Rockschößen, um sich zu befreien.
Der Hund dachte, es wäre ein Spiel, knurrte
furchterregend und zerrte nach der entgegengesetzten Richtung.
»Auf mein Zeichen«, sagte Haplo mit gesenkter
Stimme zu Marit. »Du und Hugh Mordhand, ihr beide lauft los. Seid vorsichtig.
Draußen könnte etwas auf uns lauern. Haltet nicht an. Seht nicht zurück.«
»Haplo«, begann Marit. »Ich will nicht…« Sie
brach ab und wurde rot.
Überrascht von dem veränderten Ton in ihrer
Stimme, schaute er sie
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