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Irrwege

Titel: Irrwege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Weis , Tracy Hickman
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seufzte. Sie fühlte sich noch einsamer
als zuvor.
    »Du sagst, sie sind nicht wirklich. Was sind sie
dann?«
    »Schatten der Vergangenheit vielleicht. Jener,
die einst hier lebten.« Drugar starrte sinnend in den Strahlenkranz; er
streichelte seinen Bart. »Ein Trick der Magie an diesem Ort.«
    Aleatha ahnte, was ihn bewegte. »Dein Volk. Du
hast Angehörige deines Volkes dort gesehen.«
    »Schatten«, sagte er wieder. Seine Stimme klang
heiser. »Mein Volk ist ausgelöscht. Vom Angesicht der Welt hinweggefegt von
den Tytanen. Ich bin der einzige Überlebende. Und wenn ich sterbe, stirbt der
letzte Zwerg auf Pryan.«
    Aleatha ließ den Blick durch das jetzt wieder
leere Rund des Amphitheaters wandern.
    »Nein, Drugar«, sagte sie plötzlich. »Das stimmt
nicht.«
    »Was meinst du damit, das stimmt nicht?« Drugars
Augen glühten wie Kohlen im Schatten der zusammengezogenen Brauen. »Was weißt
du davon?«
    »Nichts«, gab Aleatha zu. »Aber ich glaube,
einer von ihnen hat mich gehört, als ich sprach.«
    Drugar schnaubte grimmig. »Das hast du dir
eingebildet. Glaubst du, ich hätte es nicht versucht?« Sein Gesicht war
eingefallen und von unsäglichem Kummer gezeichnet. »Meine Brüder und Schwestern
zu sehen! Wie sie reden, lachen. Fast kann ich verstehen, was sie sagen. Fast
dringt wieder die Sprache meiner Heimat an mein Ohr.«
    Er schloß die Augen, wandte ihr abrupt den
Rücken zu und ging mit abgehackten Schritten die Sitzreihen entlang.
    Aleatha schaute ihm nach. »Was für ein
selbstsüchtiges Ungeheuer ich gewesen bin«, sagte sie zu sich selbst. »Ich
habe wenigstens Paithan. Und Roland, auch wenn der nicht viel zählt. Und Rega
ist gar nicht so übel. Der Zwerg hat niemanden. Nicht einmal uns. Wir haben
unser Möglichstes getan, um ihn auszuschließen. Hierher mußte er gehen, um
Trost bei Schatten zu finden.«
    »Drugar«, rief sie. »Hör doch. Als ich da unten
stand, sagte ich: ›Ich bin hier, vor euch!‹ Und genau in dem Moment drehte
einer der Elfen sich herum und sah zu mir her. Seine Lippen bewegten sich, und
ich schwöre, er hat gefragt: ›Wie bitte?‹ Ich sagte wieder etwas, und er
schaute sich verwirrt um, als könnte er mich hören, aber nicht sehen. Ganz
ehrlich, Drugar!«
    Er war stehengeblieben und wandte sich halb um;
seine Miene verriet Skepsis, aber auch, daß er ihr gerne geglaubt hätte. »Bist
du sicher?«
    »Aber ja«, log sie und lachte heiter. »Wie
könnte ich in einer Gruppe von Männern stehen und nicht bemerkt werden?«
    »Ich glaube dir nicht.« Der Hoffnungsfunke in
den Augen des Zwergs war erloschen, er musterte sie durchdringend.
    »Sei mir nicht böse, Drugar. Ich hab’s erfunden.
Du hast so traurig ausgesehen.« Aleatha trat zu ihm und berührte seine Hand.
»Vielen Dank, daß du mich hergebracht hast. Es ist wundervoll. Ich – ich
möchte wiederkommen. Morgen. Wenn das Licht scheint.«
    »Wirklich?« Sein Gesicht hellte sich auf. »Gut,
das ist gut. Abgemacht. Aber du wirst den anderen nichts sagen.«
    »Nicht ein Wort«, versicherte Aleatha.
    »Jetzt sollten wir zurückgehen«, meinte Drugar.
»Die anderen werden sich Sorgen machen deinetwegen.«
    Aleatha hörte die Bitterkeit in dem letzten
Wort. »Drugar, welche Bedeutung hätte es, wenn diese Leute doch wirklich sind?
Würde es bedeuten, daß wir nicht die Letzten sind, wie wir glauben?«
    Der Zwerg starrte wieder auf das farbenprächtige
Mosaik. »Ich weiß es nicht«, sagte er und schüttelte den Kopf. »Ich weiß es
nicht.«
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Kapitel 32
Die Zitadelle,
Pryan
    Das plötzliche Aufflammen des Lichts in dem
Sternendom vertrieb Xar aus dem Gemach. Es gelang ihm, den alten Sartan
loszuwerden, indem er ihn Paithan aufhalste, der die Treppe hinaufkam und
dummes Zeug redete. Überzeugt, daß der Nichtige und der Irre sich gut vertragen
würden, ließ Xar sie vor der Tür des Sternendoms stehen, wo sie in schöner
Eintracht wie gebannt auf das helle Licht starrten, das durch den Spalt über
dem Boden sickerte.
    Zifnab verbreitete sich über eine Theorie die
Funktionsweise der Kammer betreffend; eine Theorie, die vor kurzem noch Xars
Interesse erregt haben würde. Jetzt konnte nichts ihm gleichgültiger sein. Er
suchte Zuflucht in der Bibliothek, wo die Wahrscheinlichkeit bestand, von den
Nichtigen unbehelligt zu bleiben. Sollte das Sartanlicht aus der Zitadelle
scheinen. Sollte es Abarrachs furchtbare Dunkelheit erhellen, Chelestras
gefrorene Meermonde auftauen.

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