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Irrwege

Titel: Irrwege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Weis , Tracy Hickman
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noch, während ich dies niederschreibe, zittert meine Hand
bei der Erinnerung an jenes Ereignis, das nunmehr über hundert Jahre
zurückliegt.
    Mein Vater starb. Auf dem Sterbebett erzählte er
meinem Bruder und mir die Geschichte des Todesdolchs. Es sei ein seltenes und
wertvolles Artefakt, sagte er und stamme aus einer Zeit, als zwei Geschlechter
furchtbarer Götter die Erde beherrschten. Diese beiden Göttergeschlechter
haßten und fürchteten einander, und jedes suchte die Oberhand zu gewinnen, um
alleine Herr zu sein über die Nichtigen: Menschen, Elfen und Zwerge.
Dann kamen die Götterkriege – grausame Schlachten, geschlagen mit Magie, die
eine ganze Welt verwüsteten, bis endlich, aus Furcht vor der Niederlage, das
eine Geschlecht von Göttern die Welt zerteilte.
    Zumeist trugen die Götter ihre Kämpfe unter sich
aus, aber manchmal, wenn sie in der Minderzahl waren, beriefen sie Sterbliche,
um ihnen zu helfen. Selbstverständlich waren wir mit unseren geringen
magischen Fähigkeiten den feindlichen Göttern nicht gewachsen, deshalb
statteten die Sartan (wir kennen die Götter bei diesem Namen) uns, ihre Helfer,
mit besonderen Waffen aus.
    Die meisten dieser Waffen gingen bei der Großen
Teilung verloren, die auch viele unseres Volkes das Leben kostete, so
berichten die alten Sagen. Doch einige wurden gerettet und blieben im Besitz
derer, die überlebten. Dieser Dolch ist nach der Familienhistorie eine solche
Waffe. Mein Vater sagte uns, er hätte die Kenkari gerufen, um eine Expertise
abzugeben.
    Die Kenkari vermochten nicht mit letzter
Sicherheit zu bestätigen, daß die Waffe aus der Zeit vor der Großen Teilung
stammte, aber sie besaß ein magisches Potential, daran bestand kein Zweifel.
Sie warnten ihn, die Aura wäre sehr stark, und er solle unter keinen Umständen
den Dolch benutzen. Mein Vater war ein ängstlicher Mann, und die Kenkari
schüchterten ihn ein. Er ließ diesen Kasten anfertigen, legte die Waffe hinein
und schaute sie nie wieder an.
    Ich fragte ihn, weshalb er das Unglücksding
nicht vernichtet hatte, und er sagte, die Kenkari hätten gesagt, eine solche
Waffe könne man nicht zerstören. Sie würde von ihrer Macht Gebrauch machen, um
weiterzubestehen und zu ihrem Eigentümer zurückzukehren; solange er sie in
seiner Obhut hatte, wußte er, daß sie sicher aufgehoben war. Versuchte er
jedoch, sich ihrer zu entledigen, warf sie zum Beispiel in den Mahlstrom, wurde
sie vielleicht irgendwann gefunden und richtete womöglich entsetzliches Unheil
an. Er gelobte den Kenkari, sie zu hüten, und nahm uns beiden denselben Schwur
ab.
    Nach seinem Hinscheiden fiel uns beim Ordnen des
Nachlasses die Geschichte wieder ein. Wir gingen in die Waffenkammer, öffneten
den Kasten und fanden in dem Geheimfach den Dolch. Da wir die Ängstlichkeit
unseres Vaters kannten und auch sein Faible für romantische Geschichten,
fürchte ich, daß wir seinen Mahnungen nicht viel Gewicht beimaßen. Dieses
unansehnliche, häßliche Ding sollte von einem Gott geschmiedet sein? Wir
schüttelten lächelnd den Kopf.
    Und wie Brüder es tun, fingen wir an, uns zu
necken. (Wir waren jung, als mein Vater starb. Das ist der einzige milderne
Umstand, den ich zu unserer Rechtfertigung anführen kann.) Mein Bruder griff
nach einer der Duellwaffen, und ich nahm, was wir scherzhaft den Todesdolch
nannten. (Die Göttin vergebe mir meinen Unglauben!) Mein Bruder stieß
spielerisch nach mir, ich parierte.
    Du wirst nicht glauben, was als nächstes
geschah. Ich bin nicht sicher, ob ich selbst es glaube, bis zum heutigen Tag.
Doch ich sah es mit meinen eigenen Augen.
    Die Waffe fühlte sich eigenartig an. Sie
pulsierte, wie etwas Lebendiges. Und plötzlich, als ich einen Gegenstoß führen
wollte, wand sich der Dolch wie eine Schlange, und ich hielt statt seiner ein
Schwert in der Hand! Ehe ich wußte, was geschah, hatte die lange Klinge meinen
Bruder durchbohrt. Sie traf sein Herz. Niemals, niemals – vielleicht nicht
einmal nach meinem Tode – werde ich den Ausdruck entsetzter, fassungsloser
Überraschung auf seinem Gesicht vergessen.
    Ich ließ das Schwert fallen und fing ihn auf,
aber zu helfen war nichts mehr. Er starb in meinen Armen, sein Blut netzte
meine Hände.
    Ich glaube, ich schrie laut auf. Ich kann mich
nicht mehr erinnern. Als ich aufblickte, sah ich unseren alten Majordomus in
der Tür stehen.
    »Ah«, sagte er, »nun seid Ihr der einzige Erbe.«
    Er nahm an,

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