Irsud
wechselnde Umstände ihre Jahre im Palast überlebt hatte, fand sich plötzlich von Unsicherheit überflutet. Aufgewachsen im Treibhaus des zum Palastleben gehörenden Kehlenaufschneidens und hinterhältiger Messerstechereien vermutete sie, daß Aleytys ein falsches Spiel trieb. Ihr Problem lag darin, die Haltung zu wählen, die den größten Vorteil versprach. Bis jetzt wußte noch niemand, wie das Ei der Königin reagieren würde, besonders nicht unter solch bizarren Umständen. Wenn das alte Weib erwachen würde … Götter! Tausend Jahre waren ein langer Würgegriff um den Geist eines Volkes. Deshalb geriet Sukall ins Schwimmen und klammerte sich an die Kipu als den stärksten Pfeiler im stärker werdenden Mahlstrom.
Und sie hat recht, dachte Aleytys. Die Kipu strahlte eine gelassene Skepsis aus, einen Hauch von Angst, einen sehr dünnen Hauch, und eine große Portion Neugier.
„Ich langweile mich.“ Die Worte brachen das Schweigen. Das Gesicht der Kipu behielt sein ruhiges, abwartendes Aussehen bei, aber ihre Fühler zuckten kurz. „Es genügt nicht, dieser Raum dort und der Garten.“ Aleytys lächelte, die Finger zogen kleine Kreise auf dem polierten Holz.
„Birka würde dich gern außerhalb der Mauern antreffen“, sagte die Kipu leise. „Oder Arikin.“ Sie wartete auf einen Kommentar, aber Aleytys klopfte einfach mit den Fingern auf die Armlehnen des Stuhles, die Fingernägel verursachten ein sacht klickendes Geräusch in der schweren Stille, die zwischen ihnen hing. „Du bist zu verwundbar außerhalb der Mauern.“
„Mhm. Nein. Ich denke nicht. Es könnte ein starker Vorteil für das Volk der Stadt sein, mich zu sehen und zu berühren und zu kennen.“ Sie hob die Hände, drückte die Handflächen gegeneinander und berührte mit den Spitzen der gegeneinander gelegten Zeigefinger die Lippen, die längeren Mittelfinger paßten bis unmittelbar unter die Nase, dann senkte sie die Hände und ließ sie mit den Innenflächen nach oben auf den Oberschenkeln ruhen. Als sie nachdenklich auf die Handflächen hinunterstarrte, konnte sie die Idee im Geiste der Kipu arbeiten und ihre Ambitionen nähren fühlen. „Gerüchte“, sagte sie nachdenklich, sandte jede Silbe mit gemeißelter Präzision hinaus. „Gerüchte können gefährlicher sein als Gewehre.“
„Ein interessanter Gedanke. Ein plötzlicher, unangekündigter Ausflug. Um das Volk wissen zu lassen, daß ihre Sarrat über ihr Wohlergehen wacht.“ Sie lächelte. „Es wird arrangiert werden.“
„Gut. Ich verlasse mich auf dich. Anesh …“ Die Kipu hob den Kopf und starrte sie an. verblüfft, ihren selten benutzten Eigennamen zu hören. Ohne sich hierum zu kümmern, erhob Aleytys die Hände und streckte sie vor. brachte sie in einem anmutigen Bogen hoch. „Du vernachlässigst mich, meine Freundin.“
„Vernachlässigen?“ Die Kipu entspannte sich wieder und erwartete aufmerksam die neuen Entwicklungen, die diese Worte versprachen.
„Meine Juwelen. Ich will sie haben. Ich finde diese Schlichtheit widerlich. Außerdem, wie kann ich nackt und bloß wie eine Sklavin vor die Leute treten?“
„Ah.“ Die Kipu berührte Stirn und Lippen mit den Fingern. „Ich bin nachlässig. Ich werde veranlassen, daß alles sofort in deine Gemächer geschickt wird.“ Die Kipu lächelte breit, mit dem Charme eines hungrigen Hais. „Wie soll ich dich ansprechen?“
Innerlich sprudelte Aleytys vor Dankbarkeit. Zwing mich, meinen Anspruch zu erheben, dachte sie. Laß es mich sagen, damit sie die Frechheit einer Sklavin zurückweisen kann, falls sie dies für ihren Vorteil erachtet. Oder sieh, wie schnell und sorgfältig du denken kannst, kam das Flüstern aus dem Hintergrund ihres Verstandes, begleitet von einem intensiven purpurnen Blitz. Shadith zwinkerte ihr mit einem fröhlichen Auge zu.
„Der Name dieses Körpers ist Aleytys“, sagte sie sanft. Wieder ruhten die Hände leicht auf den Armlehnen des Stuhles. „Wurde er nicht sorgfältig ausgewählt?“
„Tausend Welten wurden durchgekämmt, um ihn zu finden.“ Es war nur die sachteste Spur von Sarkasmus in der Stimme der Kipu.
Aleytys neigte anerkennend den Kopf, und ihr Mund verzog sich zu einem flüchtigen Lächeln. „Dann mag der beste Name für diese Existenz hier Damiktana, die Auserwählte, sein.“
„So wird es proklamiert werden.“ Die Kipu entspannte sich und musterte sie mit offener Neugier. Aleytys fühlte die Zuversicht in sich hineinströmen und leistete ihrem Vorteil Vorschub.
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