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Irsud

Irsud

Titel: Irsud Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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die zerklüftete Wand der Klippe dort ab, wo sie sich über den an ihrem Fuß wuchernden Saum von Blattwerk erhob. „Ja“, sagte sie nach einer Weile. „Ist es der, den du meinst?“ Sie heftete ihre Blicke auf die kurze horizontale Unterbrechung in der Klippenwand.
    „Du hast ihn. Stimmt ihr beiden zu?“ Shadiths purpurne Augen wandten sich nach rechts, dann nach links, blickten fragend.
    „Ja“, sagte Harskari nachdenklich. „Wenn Aleytys das Ding so weit befördern kann.“
    „Ich kann es versuchen.“
    „Hm. Ja.“ Swardhelds schnarrende Stimme murmelte in spröder Einverständnis. „Allerdings ist es ein unzugänglicher Platz.“
    „Das ist ja der Sinn der Sache, alter Knurrer.“ Ein Zwinkern der purpurnen Augen harmonierte mit einem zarten Rieseln von Lachen. „Wer würde schon dort oben danach suchen?“
    Aleytys klappte den Deckel wieder über den Sensor-Auslöser und runzelte die Stirn; langsam strichen die Finger über das glatte Metall. Sie konzentrierte sich, die Waffe wurde unter ihren Händen lebendig. Zuerst fühlte sie, wie sie sich erwärmte, dann vibrierte sie, verblüffte sie wieder, stieß dann leicht gegen ihre Hand. Als sie fester dagegenstieß, breitete sie die Hände wie Flügel aus, und die Waffe sprang dazwischen hoch, sauste in einer weiten Kurve immer schneller werdend auf die Klippe zu; ihre Schnelligkeit versetzte Aleytys in Panik.
    Aufkeuchend riß sie den wirbelnden Revolver kaum eine Handbreit vor einem klatschenden Aufprall auf dem Gestein in den Stillstand. Immer wieder anhaltend, klappernd, hüpfend, schob er sich in ruckweisen Etappen die Felswand empor. Nach und nach fiel ihr seine Beherrschung leichter, bis sie die Waffe schließlich ordentlich in die Spalte steckte. Mit einem Seufzer entspannte sie sich, lehnte sich gegen den Ast zurück, kratzte sich an den Knöcheln und ließ sich das Haar um das Gesicht wehen.
    „So, das wäre geschafft“, murmelte sie.
    Purpurne Augen leuchteten, ein leichtes Lachen glitzerte silbern in ihrem Kopf. „Ein Mädchen mit knallroten Haaren, das war sehr begabt und erfahren. Sechs Eier, die flogen, ein Stuhl auch, im Bogen! Fünf Schweine, zwei Pferde, drei Hund’, braun wie Erde, vier Hennen, zwei Katzen, ein Has’ – ungelogen!“
    Aleytys kicherte. Sie ruckte einen Fuß hoch, und als der Chiffon zurückrutschte und den Oberschenkel entblößte, wurde sie plötzlich ernst, ihre gute Laune stürzte in tiefe Depression hinunter. „Fühlt und heilt, hebt und bewegt. Wie werde ich meinen Parasiten los?“ Sie rieb die Hand über den Oberschenkel.
    Ein kaltes Frösteln vibrierte durch ihren Körper. Sie starrte hilflos gelähmt auf einen Wirbel … einen Schwarm von Tupfern, die allmählich zum funkelnden Gesicht einer weiblichen Nayid verschmolzen, stark, herrisch … finster dreinblickend … nein … es hauchte wie ein Nebel durch ihren Körper. „Nein!“
    Sie blinzelte, die Empfindung schwand, sie atmete wieder, ohne sich dazu zwingen zu müssen. Kalt von einer Furcht, die wie ein Samenkorn in ihrem Bauch keimte, ein Eissame, der sich durch ihren Körper ausbreitete, Kristall für Kristall ausbreitete, sich wie die Kristallisation einer übersättigten Lösung vermehrte, ihr Blut erkaltete, ihr Atem kam leicht und flach aus den oberen Lungenspitzen. Sie preßte die Hände auf die Augen. „Harskari, hilf mir.“
    Die bernsteingelben Augen öffneten sich dieses Mal langsam; Aleytys bekam den Eindruck, daß die Zauberin verwirrt war. „Sehr eigenartig“, murmelte sie. „Ich hatte keine Vorstellung. Shadith?“
    „Nein, verdammt. Natürlich nicht. He, bärbeißiger Kerl!“
    „Seid still. Jammernde Weiber.“ Swardhelds mürrische Stimme war zu einem heiseren Flüstern gedämpft. „Freyka, es liegt an dir. Wir …“ Die schwarzen Augen blickten hart. „Wir werden dir helfen, wo wir nur können, aber keiner von uns könnte einen der anderen austreiben, wie könnten wir also diesen Eindringling aus deinem Körper hinauswerfen? Und erst recht, da er diesen körperlichen Halt hat?“
    Aleytys kam zitternd auf die Füße und lief über den gebogenen Ast zum Ufer hinunter. Sie zögerte einen Augenblick, die Hand auf der rauhen Rinde des Stammes, atmete den scharfen, grünen Duft ein, sprang dann hinunter und rannte über das kalte, taunasse Gras in das Zimmer zurück.
    Burash lag in tiefem Schlaf. Sie beugte sich über ihn und berührte sein Gesicht, fühlte in ihm eine Sicherheit und Stärke, an die sie sich dankbar

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