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Irsud

Irsud

Titel: Irsud Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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wiederzugewinnen. In ihrem Schädel hörte sie ein Flüstern, beinahe unmöglich, zu entschlüsseln … Heilen … heilen … Erschöpfung … eine Art von Krankheit … heilen … Sie tastete nach der Kraft, die Anstrengung war fast zuviel für sie. Dann ergoß sich das Wasser über sie, reaktivierte ihre Kraft. Sie setzte sich auf.
    „Bewache die Tür.“
    Burash nickte und drehte sich um, sein Körper angespannt vor Konzentration.
    Aleytys legte ihre Hände auf den bewußtlosen Hiiri und griff erneut nach ihrem Fluß. Ihre Arme fühlten sich noch immer wie schwerfällige Bleigewichte an, der Schädel wie mit Wolle gefüllt, die Gedanken unbedacht und ungenau, aber ihre Gabe ließ sie nicht im Stich, die Heilung wurde vollbracht, der Hiiri setzte sich auf und starrte aus lebhaften dunklen Augen umher.
    „Der Verkehr draußen läßt nach, Leyta.“ Burashs ruhige Stimme brach durch ihre Müdigkeit.
    „Gut. Ich denke nämlich, daß sich diese Art Magie für mich abgenutzt hat.“ Sie richtete sich auf, taumelte, als ihre Knie kurz nachgaben, ergriff die Kante der Pritsche und setzte sich. „Madar! Ich bin schwach wie ein zwei Tage altes Kätzchen.“

 
22
     
    Nakivas glitt aus dem kalten, feuchten Schatten und klopfte gegen den zusammengeflickten, wackeligen Fensterladen eines baufälligen Hauses am äußersten Rand der Stadt, eines Hauses, das seine fortgesetzte Existenz der massiven Mauer zu verdanken schien, an die es sich wie eine zerfallende Wanze lehnte. Er klopfte wieder, diesmal wiederholte er den Rhythmus zweimal.
    Der Laden schwang auf, und der Hiiri glitt hinein.
    Aleytys fröstelte. „Wie spät ist es?“ flüsterte sie Burash zu, der neben ihr in dem verfilzten Wirrwarr von Bäumen und Gestrüpp am Fuß der Mauer kauerte.
    „Drei Stunden bis zum Morgengrauen.“ Er zitterte vor Kälte, die Fühler waren durchnäßt und hingen herunter, das zarte Gefieder von Tropfen eisigen Wassers geperlt. Er blickte zu ihr her. „Weißt du … Hat uns die Kipu schon vermißt?“
    Aamunkoitta schaute wachsam auf.
    „Nein.“ Aleytys zog die Robe fester um dem Körper, aber der kalte, nasse Stoff bot beim Kampf gegen die Kälte in den Knochen keine große Hilfe. „Aber Nakivas beeilt sich besser. Verdammt. Mir wird nie wieder warm werden.“ Sie blickte auf die winzige, ruhige Gestalt der Hiiri hinunter. „Dir scheint die Kälte nichts auszumachen, Kätzchen.“
    Die Hiiri zuckte mit den Schultern. „Es ist, wie es ist. Akzeptieren und Einssein. Kunniakas, die Henkiolentomaan würden zur dir sprechen, wenn du nur zuhören würdest. Laß sie. Sei eins mit der Erde, dann ist die Kälte eins mit dir und wird dir nichts anhaben.“
    Burash berührte Aleytys an der Schulter. „Da!“
    Die Tür war geöffnet. Nakivas glitt heraus. Er huschte zu ihnen herüber, beugte sich vor, hielt sich in den dunkleren Schatten. „Kommt.“ Seine Stimme war ein Flüstern, das beinahe in den wispernden, raschelnden Blättern der Bäume ringsum verschwand. Aleytys zuerst, dann Burash mit Aamunkoitta hinter sich, so gingen sie hinter ihm her in das zerfallene Haus.
    Aleytys zuckte zusammen und verzog schief das Gesicht, als eine muffige, verhüllte Gestalt an ihr vorbeiglitt und den Riegel in die Nut rammte. Sie schnüffelte. Das Innere des Hauses roch nach verfaulendem Holz, verfaulendem Essen und menschlichem Schweiß und Urin. Die Wände ächzten, murmelten, verschoben sich ständig, und das winzige, drohende Krabbeln von Ungezieferfüßen vereinte sich mit dem abgestandenen, dichten Schwarz, bearbeitete ihre Nerven, bis sie nervös wurde in ihrem Drang, von diesem widerlichen Ort wegzukommen. Eine Hand berührte die ihre, ergriff sie.
    „Halt dich an den anderen fest. Folgt mir.“ Nakivas’ Stimme drang aus der stinkenden Finsternis heraus zu ihr. Aleytys schluckte und streckte die Hand aus.
    „Burash, kannst du meine Hand finden?“ Er lachte. „Du vergißt, Leyta.“
    „Oh. Nimm du Kätzchens Hand, hörst du? Ich nehme an, wir sollen eine Kette bilden.“
    „Alles klar.“
    Nakivas ging los, die anderen stolperten hinter ihm her. Für sich selbst hätte Aleytys diese Finsternis beseitigen können; aber das wollte sie nicht. Der Gedanke daran, diese Schwärze mit den Blicken zu durchdringen, sehen zu können, was da lebte, brachte ein Zittern in ihren Magen.
    Nach einer Ewigkeit hielt Nakivas an. „Einen Augenblick“, sagte er und löste seine Hand von der ihren. Das Schwarz brach direkt vor ihnen auseinander.

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