Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle
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Was für ein cooler Geheimtipp
Nordzypern für Naturliebhaber
M it Tourismus verdiene ich mein Geld. Ob als Reiseleiter, Reiseredakteur oder Reisereporter. Gäbe es den Tourismus nicht, gäbe es auch meine Aufgabenfelder nicht. Und der Massentourismus von heute lässt mich frohgemut beruflich in die Zukunft schauen. Wenn wir schon im Fußball nie mehr Weltmeister werden, so ist es doch wunderbar, dass wir im Reisen unschlagbar sind, das Weltmeisterdauerabo nimmt uns da so schnell keiner weg.
Da ich aber eben im Auftrag des Massentourismus unterwegs bin, will ich selbst im Urlaub nicht immer mit diesem konfrontiert sein. Die Frage ist nur, wohin ich dann fahren soll. Ich habe schon in Neuseeland nachgeschaut – Massen von Touristen. Ich habe mich auf dem Dach der Welt in Tibet und in Indien umgesehen – Massen von Touristen. Ich war am Great Barrier Reef unter Wasser – Massen von Touristen. Ich war hoch oben am Mount Everest – Massen von Touristen. Wo konnte ich da noch hin? Hatte ich mein Recht auf Urlaub am Ende verwirkt, weil ich im Grunde immer Urlaub mache?
Nein. Schließlich hatte ich nämlich ein Land gefunden, das es eigentlich gar nicht gibt und das im Vorwort eines anerkannten Reiseführers so beschrieben wird: «Ein Land mit pittoresker Landschaft und atemberaubenden Stränden. Die Charakterisierung eines Landes als touristischer Geheimtipp wird in der Reiseliteratur sehr oft bemüht, hier trifft sie zumindest im Augenblick durchaus noch zu. Freuen Sie sich auf ein unvergessliches Urlaubserlebnis in einem der sichersten und interessantesten Reiseziele Europas.»
Wenn das keine Ansage war. Jetzt muss ich dieses Land natürlich beim Namen nennen, auch wenn es dann mit dem Geheimtipp ganz schnell vorbei ist. Es ist die Türkische Republik Nordzypern. Sie wurde 1983 ausgerufen, anerkannt hat sie bis heute genau ein einziges Land: die Türkei – was wiederum wenig überraschend ist. Mit anderen Worten: Die Türkische Republik Nordzypern ist eigentlich kein Land.
Das jedoch klang für mich nach einem Traumziel. Unbedingt musste ich dorthin. Einzig bei der Anreise, wie ich dann schnell feststellte, gab’s einen kleinen Haken. Jeder Flug ging über Istanbul oder über die Republik Zypern. Von dort war es aber schwierig bis unmöglich, mit einem Mietwagen in den Norden der Mittelmeerinsel zu fahren, also buchte ich einen Flug in die Stadt am Bosporus und dann einen weiteren nach Ercan. Ercan ist der internationale Flughafen in der Nähe von Lefkoşa. Die Stadt ist eine geteilte Hauptstadt, sie ist durch Mauern und Stacheldraht getrennt. Der türkische Teil ist der, der Lefkoşa heißt, der zypriotische Nicosia.
Kurz vor Mitternacht kam ich also in Ercan an – ein sauberer Flughafen, gut organisiert. Von anderen Touristen keine Spur, also tatsächlich traumhaft für mich. Der Mietwagenagent erwartete mich bereits. Alles lief zügig ab, bis ich ins Auto stieg und eher zufällig sah, dass die Tankanzeige auf Reserve stand.
«Das ist schon okay so», sagte der höfliche Mann, der meinen Blick bemerkt hatte. «Sie können den Wagen dann auch leer wieder zurückbringen.»
«Schön, aber kann ich jetzt, mitten in der Nacht, in Nordzypern überhaupt tanken?» Fragend sah ich den Agenten an.
«Doch, doch! In Lefkoşa hat noch eine Tankstelle auf, an der Hauptstraße.» Das hieß im Klartext: Versuche möglichst spritsparend, im ungünstigsten Fall den Wagen schiebend, bis zu dieser Tankstelle zu kommen. Die ich allerdings erst einmal finden musste. Wenn ich Pech hatte, durfte ich meine erste Urlaubsnacht im Auto schlafen.
Dass ich gar nicht nach Lefkoşa wollte, sondern genau in die entgegengesetzte Richtung, versuchte ich dem Mann nicht mehr zu erklären. Ich wollte los, und so startete ich den Motor.
Nie zuvor war ich so bewusst an so vielen geschlossenen Tankstellen vorbeigefahren, und ich hatte auch lange nicht mehr so fasziniert auf das kleine rote Lämpchen geschaut. Am Ende fand ich aber nach zwanzig Minuten noch mit einem Rest von Sprit im Tank die mir versprochene Tankstation. Endlich konnte ich umdrehen und durchstarten.
Nordzypern ist nachts sehr dunkel und sehr ausgestorben. Kaum ein Auto kam mir entgegen, nur selten lag ein beleuchtetes Dorf am Straßenrand. Eine eintönige Fahrt, die müde machte. Mein Ziel war Dipkarpaz auf der Karpaz-Halbinsel. Dort sollte es noch einsamer, noch friedlicher, noch untouristischer, noch geheimtippiger sein als im übrigen Land,
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