Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle
Plastikmüll zu Plastiksand. Sah wirklich schön aus, aber ich fand das nicht schön.
Doch ich wollte mich nicht deprimieren lassen, zu herrlich waren Einsamkeit und das gefühlt fünfundzwanzig Grad warme Meer. Schnorchel und Flossen am Start, und hinein ins Wasser. Ich kraulte, bis die Oberarme brannten, danach dümpelte ich ein wenig im warmen Nass herum. Schließlich nahm ich eine kleine Felsbucht ins Visier. Da wollte ich an Land gehen und über den bunten Strand zu meinen Sachen zurücklaufen. Aber ich hatte die Rechnung ohne die Strömung gemacht. Die hatte mich zwar gut vorangebracht, sie hatte aber auch dafür gesorgt, dass die Bucht erklärtermaßen eine schwimmende Mülldeponie war. Kein einziger Fisch, dafür Tonnen von grellfarbigem Plastik. Hier kam ich schon kaum durch, wie sollten da Seeschildkröten an Land kommen, geschweige denn Eier ablegen? Von denen hatte nämlich mein Reiseführer geschwärmt.
In diesem Moment erinnerte ich mich daran, wie ich einmal von einem Boot vor der Küste Indonesiens ins Wasser sprang und in einem Schwarm Feuerquallen landete. Seinerzeit lief ich nach dem Auftauchen übers Wasser zum Boot zurück. So ähnlich war es hier. Schwimmende Plastiktüten können sich wie Feuerquallen anfühlen, wobei der Ekelfaktor noch größer war, weil sich zu den Tüten Plastikdosendeckel, Fliegengitter und Autoreifen gesellten.
Regelrecht erleichtert war ich, als ich wieder an Land war. Ich begab mich zurück zu meinem Liegestuhl- und Sonnenschirmfriedhof und fühlte mich wirklich großartig. Ich hatte zweifellos einen absoluten Geheimtipp gefunden, zwar mit ein paar kleinen Fehlern, aber die konnte man überall finden, wenn man danach suchte. Ich musste einfach aufhören, hysterisch zu reagieren. Ein bisschen Plastik im Wasser, davon ist noch niemand umgekommen, hätte mein Vater gesagt. Der hatte in seinem Leben allerdings nie schwimmen gelernt.
Später am Tag suchte ich nach Ali – und hatte ihn schnell gefunden. Am kilometerlangen Strand gab es nur zwei einfache Tavernen. Die eine gehörte dann einem Menschen, der auch Hassan hieß und der der Onkel von Ali war. Ali stand mit seiner wirklich sehr, sehr tief sitzenden Jeans freudestrahlend auf seiner Terrasse und zeigte mir seine beeindruckende Speisekarte. Lammkoteletts mit Salat und Pommes frites, frittierter Fisch mit Salat und Pommes frites und Pommes frites mit frittierten Calamares und Salat. Die Getränkekarte war ähnlich üppig: Coca-Cola, Nescafé und Bier.
Da ich Hunger hatte, wollte ich gleich mit der Bestellung loslegen, aber Ali kam mir dazwischen. «Ich rauche noch schnell eine mit dir, dann mache ich dir einen Salat. Das kann ich besonders gut. Wir haben Zeit, es sind ja keine anderen Gäste da. Und wir haben keinen Strom am Strand, in der Hochsaison lassen wir manchmal einen Generator laufen, für das Fleisch, die Pommes und das Bier. Also, nur Salat?»
«Klar, super, ich komm aber mit in die Küche.» Ali sollte sich ja nicht auf die faule Haut legen. «Kann ich vorher ein Bier haben?»
«Sicher, ist aber nicht sehr kalt.»
Ali hatte das gute türkische Efes-Bier im Angebot. Leider schmeckt dreißig Grad warmes Bier grundsätzlich nicht, egal, ob es sich um gutes Efes oder schlechtes Budweiser handelt.
In der Küche sah es aus wie im Supermarkt, nur war es hier dunkler. Ali störte das nicht weiter, weil er seinen rostigen Dosenöffner blind beherrschte. Zwischen zwei Zigarettenzügen sauste er damit durch den Deckel einer Dicke-Bohnen-Dose, einer Stangenbohnendose, einer Maiskörnerdose, einer Rote-Beete-Dose sowie einer Olivendose – und fertig war der Salat. Nicht ganz. Schafskäse aus einer Plastikdose und Altöl aus einer Plastikflasche gaben der Dosenkreation den letzten Pfiff.
«Das müssten die bei uns in Deutschland mal sehen, wie ihr Salat macht», war mein anerkennender Kommentar.
Natürlich habe ich den Salat gegessen und mit zwei Flaschen Efes-Bier nachgespült. Zum Schluss fragte ich nach der Rechnung. Der Preis war ziemlich happig, aber Ali hatte seine Begründung:
«Weißt du, wir müssen ja alles hierhertransportieren. Das ist anstrengend. Deswegen ist es hier teurer als im Ort.»
Absolut einleuchtend! Gut gesättigt, allerdings mehr vom Bier als vom Salat, fuhr ich in der Dämmerung zurück.
Dipkarpaz war zwar reichgesegnet mit Supermärkten, aber restauranttechnisch sah es armselig aus. Es existierte genau ein Lokal, und in dem gab es überraschenderweise Pommes frites mit
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