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Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle

Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle

Titel: Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikka Bender
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Mount Everest mit der Gondel auf den Lomond rauf- und wieder runtergefahren.
    Sehr hohe Berge stehen im Land des Yeti herum, darunter kleine sehr hohe Berge, große sehr hohe Berge und natürlich auch der größte der sehr hohen Berge. Dessen Besteigung ist allerdings extrem teuer, zeitaufwendig und gefährlich. Viele schaffen zwar den Hinweg, aber auf dem Rückweg geht ihnen die Luft endgültig aus, und sie sitzen dann noch viele Jahre da oben als Eismumien herum. Hunderte von Menschen gehen grußlos an den Sitzenbleibern vorbei, bis sich wieder einer mit Sitzfleisch dazugesellt.
    Für die Besteigung eines sehr hohen Berges empfehle ich daher den sichereren Island Peak im nepalesischen Teil des Himalayas. Der bringt es auf 6189 Meter. Wenn man die Höhe des letzten Dorfes abzieht, Chukhung genannt, bleiben lächerliche 1436 Meter übrig, also gerade mal 18 Meter mehr als beim Ben Lomond. Also gar kein Problem! Falsch gedacht. Denn wenn Sie in Köln einmal einatmen, müssen Sie in Chukhung zweimal einatmen, um die gleiche Sauerstoffmenge in die Lunge zu schleusen. Das ermüdet, schwächt den Organismus und ist auf Dauer nicht gesund. Dazu kommen Herzrasen, Schlaflosigkeit und Kopfschmerzen – und das alles im Ruhezustand. Richtig mies fühlen Sie sich aber erst, wenn Sie den Berg hoch müssen, über Fels und Eis. Natürlich wird jetzt jeder erfahrene Alpenvereinler sagen: «Das stimmt alles nicht! Wenn man sich richtig an die Höhe anpasst, gibt es keine Schwierigkeiten.» Lassen Sie es sich von mir sagen: Auch bei einer gewissenhaften Akklimatisation gibt’s keinen langen Atem. In Chukhung will und kann kein Mensch Urlaub machen, so schön die Berge auch sind. Und die Sherpas, die dort oben leben, sind auch nur wegen der Yaks oder der Touristen da. Ansonsten halten sie sich viel lieber weiter unten im quirligen Namche Bazar auf, trinken Bier und spielen das Brettspiel Carrom.
    Die eigentliche Besteigung des Island Peak beginnt auch genau hier, im Sherpadorf Namche Bazar, in gut 3000 Metern Höhe. Und sie beginnt mit Herumsitzen. Das wird dort oben nicht mit Faulenzen gleichgesetzt, sondern eben mit Akklimatisieren. Nach zwei bis drei Tagen können Sie ganz langsam bis zum Kloster Khumjung schleichen. Von hier aus sehen Sie auch endlich den Mount Everest und den wunderschönen Ama Dablam. Bleiben Sie wieder zwei bis drei Tage dort. Das tut Ihrem Kopf und Ihrem Blut und Ihrem Schlaf gut.
    Nach diesem Zwischenstopp können Sie weiterschleichen, bis in die langweiligen Kleinstdörfer Dingboche und Chukhung. Und auch hier die Devise «Nichtstun». Oberhalb des Klosters haben Sie die 4000-Meter-Höhenmarke überschritten, und ab diesem Punkt wird es ernst. Auch wenn Sie sich stark wie ein Bär oder eine Bärin fühlen, bewegen Sie sich, als seien Sie gerade aus einem fünfjährigen Koma erwacht.
    Irgendwann kommt dann der Tag aller Tage. Das Wetter ist perfekt, es ist eiskalt, aber der Wind hält sich in Grenzen, und Ihr Sherpa-Bergführer sagt am Abend: «Morgen stehen wir richtig früh auf.» Sie ziehen im Dunkeln los und greifen den Berg an, erst seine Steine, danach sein Eis. Es geht auch um Schnelligkeit. Sie müssen rasch zum Gipfel hoch und ebenso rasch wieder hinunter. Bevor der gesamte Organismus zum Generalstreik aufruft. Sollte das passieren, wird es eng. Denn auch Helikopter hassen dünne Luft, und deren Piloten erst recht.
    Sind Sie oben auf dem Gipfel angelangt, dann tanken Sie zehn Minuten Kraft und Glück und umarmen die Welt. Natürlich auch Ihren Sirdar, also Ihren Sherpa-Bergführer, mag er auch Pemba, Appa, Dorje oder Lhakpa heißen. Sollten Sie einen richtigen Höhenflug haben, bieten Sie ihm eine Zigarette Marke «Yak» an. Hut ab, wenn er die da oben annimmt.
    Jetzt aber nichts wie zurück in das große Sauerstoffzelt. Jeder verlorene Höhenmeter wird von Ihrer Lunge stürmisch begrüßt. Und wenn Ihr Gehirn am Gipfel keine irreparablen Schäden davongetragen hat, beginnen sich darin augenblicklich auch wieder die ersten Rädchen zu drehen. Sollten Sie richtig schnell sein, können Sie sich in der Sonne an einen Felsklotz setzen und einen Mittagsschlaf halten. Ich sage Ihnen: Das wird ein richtig schöner Mittagsschlaf. Tief und fest und traumlos! In Chukhung, am Abend, wird Ihr Kopf aber leider doch wieder dröhnen und hämmern. Das ist dann aber nicht die Höhenluft, sondern das Bier.
    Und denken Sie am nächsten Morgen über eine Dusche nach. Duschen vergisst man in der Höhe schnell.

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