Isartod
konnte.
»Gefällt mir«, dachte Dosi und klingelte.
Eine Bedienstete bat sie herein. Im Foyer blitzte Carraramarmor, lebensgroße Löwen posierten zu Füßen der Freitreppe, die in zwei weiten Schwüngen in den ersten Stock hinaufführte. Oben ein kleiner Salon, Patzers Arbeitszimmer und die getrennten Schlafzimmer. Ein gewaltiger Kristalllüster schwebte in der Eingangshalle. Funkelnde Lichtreflexe auf all dem Marmor.
Im Wohnzimmer traf Dosi auf die beiden Eheleute. Sie waren bereits von der Hallmeier informiert worden. Haslbecks Tochter war ein Handtuch im Wind und Dosi mit ihren Fragen auch nicht die Subtilste, sodass ihr Mann sie sogleich nach oben geleiten musste.
»Ich hab ihr eine Schlaftablette gegeben«, erklärte er, als er wieder zurück war.
»Arbeiten Sie zu Hause?«
»Ich arbeite auch zu Hause. Investment, Immobilien. Geld arbeitet überall.«
»Aha. Interessant. Ich hätte da noch ein paar Fragen an Ihre Frau.«
»Jetzt nicht. Fragen Sie mich.«
»Gut. Wie war Ihr Verhältnis zu Eduard von Haslbeck?«
»Das meiner Frau?«
»Ihres.«
Er lachte. »Interessante Frage. Der alte Edi. Nicht immer Sonnenschein. Wir hatten ein paar Differenzen. Andere Wertesysteme. Hier neues Geld, da alter Adel. Ich bin Investmentberater. Er war vom alten Schlag. Stattlicher Grundbesitz, aber gefangen in Traditionen. Nichts für die Zukunft. Er war so gut wie pleite. Nein, er war bankrott. Mein Geld hat seinen Laden halbwegs über Wasser gehalten.«
Dosi fand diese Offenheit durchaus erfrischend, auch wenn ihr Patzer nicht geheuer war. »Sie mochten ihn nicht?«
»Nein, so ist es nicht. Aber wir verstanden uns nicht. Er hat es mir nie verziehen, dass ich seine Tochter geheiratet habe.«
»Wie war das Verhältnis Vater–Tochter?«
»Gut, würde ich sagen. Sehr gut. Wenn man mich rausrechnet.« Er lächelte.
»Wo waren Sie gestern Abend?«
Er lächelte amüsiert. »Zu Hause. Fragen Sie meine Frau.«
»Sagen Sie, war er der Typ für Selbstmord?«
»Ich weiß nicht. Aus dem Turmfenster springen … Nein. Aber man steckt ja nicht drin in den Leuten.«
»Die Tür vom Turm war von innen abgeschlossen.«
Ein kurzes Erstaunen in Patzers Augen.
Dosi entging es nicht. »Hatte er Feinde?«
»Jeder in einer solchen Position hat Feinde. Aber auch Freunde. Mächtige Freunde.«
»Wer erbt jetzt?«
»Ich sicher nicht.« Er lachte kurz auf. »Meine Frau vermutlich. Außer er vererbt alles dem Bund Naturschutz.Waren ja seine speziellen Freunde. In letzter Zeit hat er öfter davon gesprochen, sagt meine Frau. Wär auch egal. Wir brauchen den alten Kasten nicht.«
Dosi schwirrte der Kopf, als sie wieder im Auto saß. So was von abgebrüht. Sauber. Der Typ könnte gerade jemanden erschossen haben und mit dir nebenan in aller Ruhe Kaffee trinken und übers Wetter reden. Aber da war auch ein Riss in der coolen Fassade. Dieses kurze Flackern in seinen Augen. Die verschlossene Tür.
WURSTPARADIES
Dosi war noch auf der Südlichen Münchner Straße in Richtung Zentrum unterwegs, als ihr Handy klingelte. Die Hallmeierin. Ihr war eingefallen, woher sie den Mann kannte. Ein Metzger an der Tegernseer Landstraße, Ecke Edelweißstraße, Giesing. Machte das Catering bei Gesellschaften auf der Burg. Sie kannte ihn nicht näher, denn das verhandelte der verstorbene Graf immer höchstpersönlich. Dosi merkte beim Telefonieren schon, dass die Tränensäcke der Hallmeier kurz vor dem Bersten waren, dennoch ersparte sie sich tröstliche Worte. Irgendwie fand sie die Frau unangenehm. Als sie einhängte, hatte sie den Bruchteil einer Sekunde das Gefühl, sie hätte doch noch was Nettes sagen sollen. Aber andererseits, war ja dienstlich. Wenn man da einmal anfängt.
Die lange Rotphase am Candidplatz ließ ihr Zeit für eine ausführliche Betrachtung dieser Münchner Ecke. Ein touristisches Highlight. Fraglos. Tosender Verkehrslärm von links, rechts, unten. Der Grand Canyon in RichtungMcGraw-Kasernen, links das wunderbare Ensemble aus Wohnbunkern und den Flachbauten von Wienerwald, Isar-Bowling und Münchens erstem McDonald’s. Ein kulinarisches Gipfeltreffen im Schatten des alten Giesinger Stadions. Im Isar-Bowling war sie mal auf einer Weihnachtsfeier mit den Starnberger Kollegen gewesen. Eine Nacht des Schreckens. Auch die Currywurst dort. »Von der hast lang was«, hatte ihr ein Kollege schon vorher versprochen. Tatsächlich, die phosphatverseuchte Wurst und das süßliche Ketchup stießen ihr noch zwei Tage später auf.
Wiener,
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