Isartod
Dosenthunfisch. Goaudastreusel. Auf die Mischung kommt es an. Und von irgendwo etwas ganz anderes. Fein. Scharf. Herb. Wie alte Restluft aus einem defekten Fahrradschlauch.
»Das Fischbistro ist da hinten«, sagte Zankl.
Vor dem Fischtresen stand eine ansehnliche Schlange. Mittagszeit.
»Die haben Supersushi, und der Preis ist voll okay«, erklärte Zankl.
»Ich nehm eine Lachssemmel, wenn es so was auch gibt. Mit Zwiebeln. Boh, riecht a bisserl streng hier.«
»Südhang!«, sagte jemand vor ihnen, begleitet von einem lauten Lachen.
»Zankl, alles klar?«, fragte Dosi.
»Äh, können wir, ich mein, komm, ich lad dich auf eine Leberkässemmel beim Vinzenz Murr ein. Mir ist der Appetit auf Fisch vergangen, ich, äh …« Er hielt sich ein Taschentuch vors Gesicht.
AUF DER SUCHE
Hummel saß auf dem Wohnzimmerteppich inmitten eines Bergs von Büchern. Er hatte sie alle aus seinen Regalen gezogen, viele durchgeblättert. Jetzt taten ihm die Augen weh. Den Krimi hatte er nicht gefunden. Aber für ihn gab es keinen Zweifel mehr. Das Buch passte einfach zu ihrem Fall. Wo könnte es sein, wie könnte es heißen? Gegoogelt hatte er es auch schon. Mit verschiedensten Suchbegriffen. Verdammt! Er würde Joe fragen. Der ist mit seinem Laden spezialisiert auf abseitige Krimis. Heute konnte er ihn nicht mehr anrufen, es war schon zu spät. Aber morgen. Er wird das Buch finden. Ganz sicher!
Liebes Tagebuch,
jetzt bin ich endlich auf einer ganz heißen Spur. Das mit dem Foto in der Zeitung ist eindeutig. Ich glaube, ich habe es zum ersten Mal mit einem Serientäter zu tun! Wir werdenjetzt mal so arbeiten müssen wie unsere amerikanischen Kollegen. Wir brauchen ein Täterprofil. Wir müssen uns in den Täter hineindenken. Seinen nächsten Schritt voraussehen, um ihn dann kurz vor der nächsten Tat zu schnappen.
Das wäre dann auch etwas für meinen Roman. Ein paranoider Serientäter … aber woher nimmt der Emotion und Humor? München jedenfalls bildet dann nur noch den Hintergrund, das »Normale«, durch die sich das Unerklärliche Bahn bricht. Das Normale ist nicht unser Ermittleralltag, sondern die Fiktion davon, das Klischee.
München. Regen. Nacht. Millionendorf. Home of Oktoberfest, Hofbräuhaus, Landhausmode. Schon spitze. Und das Verbrechen? München stand da früher gar nicht schlecht da – zumindest im TV: Batic, Leitmayr, Siska, Derrick, Harry. Villenwahnsinn, Mietskasernen. Okay, nicht mal Giesing oder Milbertshofen haben die hingekriegt. In der windigsten Sozialwohnung ein Golfplatz. Klar, die Tiefe des Raums. Macht jeder. Denk an Duisburg anno domini – Soultapete für Schimanski. Rauchende Schlote, rauchende Colts. Kapiert jeder. München dagegen ist reich und fett. Hier natürlich die Klassiker: Mord, Raub, Eifersucht.
Doch momentan ist die Kripo in der Ettstraße mit einer Mordserie beschäftigt, die den Rahmen des Gewöhnlichen sprengt. Bizarr verstümmelte Leichen. Reine Lust? Schwierig – zumindest als Motiv. Würde auch kein Profiler helfen. Welches Profil denn? Die üblichen Verdächtigen war man durch. Die Vorbestraften, Exknackis, Psychopathen. Die Kripobeamten um Hauptkommissar Karl-Maria Mader haben nicht den geringsten Anhaltspunkt, warum ihr großer Unbekannter seine Opfer mit solcher Grausamkeit zurichtet. Anrichtet sozusagen. 14 Tote bislang. Angefangen hatte alles mit einem zerstückelten Mann bei der Allianz-Arena. Zerlegt wie ein Backhendl. Der Beginn einer grausamenSerie. Und es ging munter weiter: Ein Mann wurde von einer Straßenwalze in den Asphalt gepresst, ein weiterer in einer Konservenfabrik in Raviolidosen abgefüllt, einer auf dem Oktoberfest mit Pressluft gefüllt – »Mama, Mama, guck mal, der Ballon da!« – und zum Platzen gebracht, gerade als aus dem Hofbräuzelt »it’s raining men« erschallte, eine Frau wurde in einer Großküche zu Eintopf verkocht und landete in den Mägen der hungrigen Belegschaft einer Computerfirma. »Fettaugen« – ganz neue Bedeutung! Und so weiter, und so fort. Die Presse hat bislang keinen Wind von der Sache. Informationssperre.
Die Beamten in der Ettstraße stehen vor einem Rätsel. Keine intellektuelle Nuss, wie Fernsehkommissare sie knacken. Hier Realität: wie Beton, ein modernes Kunstwerk – massiv, ohne Sinn, unzerstörbar. Und die Polizisten wissen, dass es so weitergehen wird. Täterprofil nicht in Sicht. Wie gesagt. Und ohne Profil kein Motiv. Die Todesarten sind einfach zu abgefahren für stinknormale Münchner Kriminaler. Aber
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