Isartod
Baader, der jetzt in der Tür stand. »Aber dass Sie so die Niveaubremse ziehen, erstaunt mich doch etwas.«
Günther musterte ihn scharf. Der Polizeifotograf Baader hielt seinem Blick stand. Er war mindestens einen Kopf größer. »Bevor Sie hier irgendwelche Verdächtigungen vom Stapel lassen, schaun wir uns doch das Bild mal an. Zankl, ich hab’s dir gemailt.«
»Woher haben Sie das Bild?«, fragte Günther.
»Von der AZ . Beziehungen.«
Alle starrten auf das grausige Bild auf Zankls Bildschirm.
»Ist nicht von mir«, sagte Baader. »Ich kenn meine Bilder. Und Sie können keinen Amateurschuss von einem Profibild unterscheiden.«
Günther schwieg.
Baader ließ sich mit der rechten Maustaste die Dateieigenschaften zeigen. »Ist mit einer Samsung aufgenommen. S 750. So ein kleines Knipsteil führen wir hier nicht.«
»Ist es denkbar, dass einer der Kollegen schnell ein Bild geschossen hat, um sich was dazuzuverdienen?«, fragte Günther.
»Mann, wofür halten Sie uns eigentlich?!«
»Jetzt mal ganz ruhig«, sagte Mader. »Datum steht auch in der Dateiinfo?«
»10.05.2010, 22:56.«
»Da war von uns noch keiner am Tatort. Wir müssen Kleinschmidt dazu bringen, dass er uns den Informanten nennt. Das Foto führt uns zum Täter.«
Mader suchte die Nummer raus und wählte. »Kleinschmidt? Hier Mader. Hab gerade Ihren Artikel gelesen. Ganz wunderbar. Ein bisschen nichtssagend. Aber das Foto …«
»Was wollen Sie?«
»Kleinschmidt, ich sag Ihnen eins. Wenn Sie jetzt nicht kooperieren, werden Sie keinen Schritt mehr in dieses Präsidium setzen. Sie werden über das Offizielle hinaus nie wieder ein Sterbenswörtchen mehr erfahren. Dann können Sie als Journalist einpacken. Woher haben Sie das Bild?«
»Anonym. Hat man uns gemailt. Verschlüsselt.«
»Aha. Schicken Sie mir mal die Mail durch.«
Kurz darauf war die Mail auf Maders Rechner: »Was isst euch das werd? Das isst nur ein Vorgeschmack. Ich melde mich.«
»Na, ein Intellektueller ist das nicht«, stellte Hummel fest.
»Kann aber mit Computern umgehen«, sagte Zankl. »Wenn der Absender verschlüsselt ist.«
Mader nickte und wählte wieder Kleinschmidts Nummer. »Okay. Die Mail ist da. Wenn der Absender sich meldet, stellen Sie den Kontakt her. Unbedingt!« Er legte auf.
»Wär gut, wenn bei Ihnen endlich mal was klappte!«, meinte Günther.
VERDAMMTES BUCH
Hummel saß auf einer Parkbank am Wittelsbacher Brunnen. Er hatte sich gegenüber beim Venezia ein Eis geholt. Himbeer und Zitrone. Seine Gehirnzellen glühten. Das Foto in der Zeitung. Der zerlegte Mann. Gestern schon hatte er einen Gedanken, den er nicht verorten konnte. Jetzt konnte er es. Er hatte von so einem Fall schon gelesen. Ein zerstückelter Mann. Und Fotos davon in der Presse und im Internet. Das stand in einem Krimi, den er vor nicht allzu langer Zeit gelesen hatte. Musste in einem seiner Regale stehen.
Das Verschwimmen von Realität und Fiktion. Er spürte ganz deutlich, dass ihn das weiterbringen konnte. Am liebsten wäre er sofort heimgefahren und hätte sein Wohnzimmer auf den Kopf gestellt. Leider konnte er sich weder an den Titel noch an den Autor erinnern. Aber er wusste noch, dass es um einen Serientäter ging. Und dassdie zerstückelte Leiche nur der Auftakt für eine ganze Serie bizarrer Morde war. Sollte er den anderen davon erzählen? Nein, das ging gar nicht. Die hielten ihn doch für verrückt. Wie hieß das verdammte Buch?
Sein Eis tropfte aus der aufgeweichten Spitze der Waffeltüte auf seine Chucks. Er warf den Rest in den Mülleimer neben der Bank und machte sich auf den Weg zurück in die Ettstraße.
SCHMANKERLGASSE
Weil Hummel heute Mittag so plötzlich weg war, hatte es Zankl eiskalt erwischt: Dosi hatte ihn gefragt, ob sie mal gemeinsam Mittag machen wollten. Da er ja von Conny auf eine fruchtbarkeitsstimulierende Diät gesetzt worden war und jetzt Fischwoche hatte, glaubte er, die Ansage, dass ihm heute der Sinn nach Fisch stünde, würde reichen, um Dosi abzuschütteln. Von wegen. »Mal was anderes als Kantine«, meinte sie fröhlich. Toll. Und jetzt trabten sie nebeneinander durch das Stachus-Untergeschoss zur Schmankerlgasse .
Schmurgelndes Gyros, feuchtschwüler Dampf aus einem Brezenbackautomaten, schwiemelnder Käse. Ein paar Meter weiter der stechend-säuerliche Odem von Eingelegtem. Mediterrane Köstlichkeiten. Urlaub fängt zu Hause an. Oder doch die heimatliche, erdige Süße der Folienkartoffeln? Groß wie Hokkaidos. Kräuterquark.
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