Isartod
Das Auto wurde langsamer. Hummels Polizeiinstinkte funktionierten noch. Er huschte hinter den großen Mülleimer und begann, ganz cool das Geld aus dem Koffer zu nehmen und im Mülleimer verschwinden zu lassen. Dann ließ er die Verschlüsse des Aktenkoffers zuklacken und verdrehte die Zahlenschlösser.
Wo war das Auto? Scheinwerfer waren ausgeschaltet. Jetzt sah er es. Das Auto rollte aus und hielt in zwanzig Meter Entfernung. Zwei Männer in Kostümen. Die Waffen waren echt. Vermutlich. Sie glänzten matt im Mondlicht. Hummel drückte sich hinter den Mülleimer. Atmete flach. Sein Herz machte bummbummbumm . Die Männer bewegten sich lautlos. Als sie ihm den Rücken zudrehten, wagte er es: Er schleuderte den Koffer ins Gebüsch auf die andere Straßenseite. Die Männer fuhren herum. Mit gezückten Waffen glitten sie lautlos über die Straße hinab in den Straßengraben und ins Gebüsch. Hummel kroch los. Zum Wagen der zwei. Er betete, dass der Zündschlüssel steckte.
JA! Er ließ den Motor aufheulen und sah noch im Rückspiegel, wie die beiden aus dem Straßengraben sprangen, den Koffer in der Hand und, schlimmer, die Waffen auf ihn gerichtet. Er trat das Pedal durch und hörte die Schüsse knallen, von denen wie ein Wunder keiner traf. Sein Herz raste. Und das Auto raste durch die Nacht.
ANGSTSCHWEISS (23:02)
Im Burgsaal war der Job für Bajazzo einfach, denn es gab keine tausend Gerüche, die sich überlagerten. Er hatte Hummel genau in der Nase, den feinen, scharfen Angstschweiß, der aus dem Kellergewölbe strömte. Mader und Dosi folgten ihm die Treppe hinab. Mader suchte den Lichtschalter und fand ihn. Der große Besprechungstisch. »Wie in einem James-Bond-Film«, sagte Dosi leise.
»Fehlt nur noch Blofeld.«
Bajazzo fand Hummels Handy unter dem Tisch. Mader und Dosi sahen sich betreten an. Bajazzo kratzte an der nächsten Tür. Mader zog den schweren Riegel auf und ließ die Tür aufschwingen. Das Ächzen der Scharniereging ihnen durch Mark und Bein. Das Licht fiel auf die Streckbank. Mader und Dosi dachten das Gleiche.
LIEBESPAAR (23:06)
Ein Geräusch von oben. »Bajazzo, du bleibst hier drin! Leise!« Schnell zog Mader die Tür zur Folterkammer zu. Er griff Dosi an der Hüfte und warf sie auf den Konferenztisch. »Wir sind ein Liebespaar!«, zischte er sie an. Dosi hatte Angst. Vor Mader.
»Waf ift da lof?«, rief jemand von oben.
Mader schaltete sofort. Das bekannte Lispeln. Er wandte sein Gesicht von Dosis Nacken ab. Auf dem Treppenabsatz stand Jakko, frisch zurück von seinem Kurztrip aufs Land. Und sah richtig böse aus.
»Waf macht ihr da?«
»Wonach sieht’s denn aus, Bruder?«
Dosi zitterte. Und bewunderte Mader, wie er diesen aufsässig-betrunkenen Klang in seine Stimme legte.
Bajazzo winselte und kratzte an der Innenseite der Folterkammer. Jetzt sah Jakko Mader richtig böse an und griff nach hinten in seinen Hosenbund. In diesem Moment schnellte Dosis Bein hoch. Rührei! Jakko schrie auf und ging auf die Knie. Seine Pistole klackerte auf den Steinboden.
Blitzschnell schnappte sich Mader die Waffe und entsicherte sie. »So, jetzt reden wir mal Klartext. Was geht hier ab?«
Jakko sah Mader schmerzverzerrt an.
»Wo ist Hummel?«
Jakko sagte zwar nix, aber sein Gesicht sprach Bände. Mit dem Namen konnte er nichts anfangen.
»Der Typ, den ihr hoppsgenommen habt«, versuchte es Mader.
Jetzt kapierte Jakko, und ein Grinsen huschte über sein Gesicht.
Mader war kurz davor zu explodieren, hatte sich aber im Griff. Fast. »Was immer ihr mit ihm gemacht habt, wir machen das Gleiche mit dir. Verstehst du das?«
Das Grinsen verschwand aus Jakkos Gesicht.
Mader reichte Dosi die Waffe. »Halten Sie ihn in Schach.« Er ging zur Tür der Folterkammer und ließ Bajazzo heraus. »Na, los, komm, Brüderchen«, sagte er zu Jakko. »Du legst dich jetzt hier auf die Bank. Ist doch gemütlicher, als die ganze Zeit zu knien … Na, wird’s bald?«
Jakko wälzte sich auf die Bank.
Mader gab Dosi die Waffe und schloss die Lederriemen um seine Hand- und Fußgelenke. Dann drehte er das Rad, bis die Fesseln straff saßen. Dosi beobachtete fassungslos, wie eiskalt Mader mit Jakko umsprang. »Aus dem hier kriegen wir nichts raus. Hummel müssen wir auf eigene Faust finden.«
BLAULICHT (23:28)
Hummel raste weiter durch die mondhelle Nacht. Auch seine Gedanken rasten. Und endlich Höfe, Häuser, Lichter, nur dass er jetzt nicht mehr halten konnte. Holzkirchen. Er donnerte am Ortsschild vorbei. Mit
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