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Isau, Ralf - Neschan 03

Titel: Isau, Ralf - Neschan 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lied der Befreiung Neschans Das
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dass dieses Labyrinth kein festes Bauwerk war, in dem man nur lange genug suchen musste, um schließlich den richtigen Weg zu finden. Das Gebilde hier schien zu leben, ihn mit seinen Gängen zu umgarnen. Je mehr er versuchte herauszukommen, desto mehr würde er sich verirren.
    Yonathan beschloss, seine Lage genau zu analysieren. Zunächst galt es festzustellen, ob die schwarzen Gänge nicht nur eine Sinnestäuschung waren, wie so vieles in diesem Gebäude. Er nahm Haschevet in die linke Hand und klopfte mit den Fingerknöcheln der rechten vorsichtig an ein Wandstück; es fühlte sich kalt, glatt und sehr massiv an. Eine gründlichere Prüfung war anscheinend nötig. So weit es ging, trat er daher zurück, ballte die Macht des Stabes zu einer flammenden Kugel und schleuderte sie gegen die Mauer. Für einen Augenblick glühte das dunkle Material in blauem Licht, dann gab es einen ohrenbetäubenden Knall.
    Als der Staub sich legte, konnte Yonathan ein Loch in der Wand erkennen, so groß wie der Tempeleingang. Die Mauer war mindestens drei Handbreit stark. Auf der anderen Seite der Bresche befand sich ein weiterer Gang. Aber das entmutigte Yonathan nicht. Er hatte ja nicht vor, sich den Weg zu Bar-Hazzats Auge freizusprengen. Seine Kraft war nur begrenzt und er musste sie sich aufsparen für die entscheidende Begegnung.
    Die Situation, in der er sich befand, war nicht unbedingt neu für ihn, stellte Yonathan fest. Schon als er damals den Stab Haschevet im Reich des Erdfressers gefunden hatte, war er durch ein verwirrendes Gangsystem gekommen. Zu diesem Zeitpunkt hatte er das Koach noch eher unbewusst genutzt, bei späteren Gelegenheiten – etwa bei der Durchquerung der Höhlen unter dem Ewigen Wehr – schon sehr gezielt. Mittlerweile beherrschte er die verschiedenen Ausdrucksformen des Koach, er konnte sie fast nach Belieben einsetzen oder miteinander kombinieren.
    Yonathan beschloss, nicht mehr nur auf sich selbst zu vertrauen, sondern sich der Macht des Stabes zu bedienen. Der Wandernde Sinn ermöglichte ihm, sich im Geist an andere Orte zu begeben, und die Kraft der Bewegung erlaubte es, Gegenstände zu bewegen und zu erfühlen, ohne sie zu berühren. Es könnte klappen, machte er sich selbst Mut. Er schloss die Augen und konzentrierte sich auf seine Umgebung.
    Allmählich begannen seine unsichtbaren Fühler von ihm auszuströmen wie Wasser aus einem Quell. Sein Geist floss in die Gänge, stieß gegen Wände, nahm alle Abzweige gleichzeitig – und fand schließlich das Ziel.
    Zunächst hatte er befürchtet, es gäbe gar keinen richtigen Weg, aber, aus welchem Grund auch immer, der Tempel hatte tatsächlich einen Gang zum Auge hin freigelassen. Auch ein Weg aus dem Tempel heraus war vorhanden. Yonathan setzte sich vorsichtig in Bewegung. Eine Weile schien es tatsächlich, als könne er einem unsichtbaren Faden bis zu dem Auge folgen, aber dann nahm er eine Veränderung wahr. Das Bild der Gänge wandelte sich. Er folgte dem Weg, der ihm noch offen stand, und fand sich bald an seinem Ausgangspunkt wieder.
    Nach ein paar weiteren Versuchen hatte er das Prinzip durchschaut: Er konnte sich wenden, wohin er wollte, die Gänge ließen ihm nur einen geringen Bewegungsspielraum; im Grunde genommen trat er auf der Stelle. Den Ausgang würde er auf diese Weise nie erreichen: In Wirklichkeit standen die Wände des Tempels fest, aber seinen Sinnen wurde vorgegaukelt, dass sich der Raum verschob und ein Labyrinth bildete. Ähnlich wie ein Blinder, der sich außen an einem großen runden Gebäude entlangtastet und glaubt eine unendlich lange Mauer vor sich zu haben, klebte er an der Wand des Schwarzen Tempels, nur eben innen.
    Bei diesem Bild fiel Yonathan plötzlich die Lösung ein. Der Blinde musste sich nur umwenden und konnte gehen, wohin er wollte. Auch für ihn, für Yonathan, gab es noch eine andere Dimension, die er bisher nicht in Betracht gezogen hatte. Nach unten in die Erde graben konnte er sich zwar nicht, aber wie stand es mit der Decke? Schon einmal war er nach oben aus dem Tempel entkommen.
    Yonathan zögerte nicht lange. Er vergewisserte sich, in welchem Bereich des Gebäudes er stand und wo das Auge zu finden war. Dann zog er einen zweiten blauen Kugelblitz zusammen und schickte ihn schräg nach oben. Ein kurzes gleißendes Aufflammen, ein Krachen und schon rieselte Gestein in den Gang hinab. Tageslicht drang herein. Die Frage war nun, wie er zu der Öffnung hinaufgelangen konnte?
    Auch dafür fand sich eine

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