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Isau, Ralf - Neschan 03

Titel: Isau, Ralf - Neschan 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lied der Befreiung Neschans Das
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in ihrem Innern zu sehen war.
    Während Felin viertausend Meilen weiter westlich auf der Stadtmauer Cedanors stand und nach ersten Anzeichen des Südlandheeres Ausschau hielt, glitt Garmok über die leblose Landschaft der Mara.
    Das Ziel stand fest. Seit den Tagen Elirs, des dritten Richters, hatte die Ruinenstadt in der Wüste jedes Anrecht auf einen Namen verloren. »Ort der Verwüstung«, Abbadon, nannten ihn die Bewohner Neschans in der alten Sprache – wenn es denn unbedingt nötig war die verfluchte Stadt zu erwähnen.
    Seit Goel von Bar-Hazzats Augen erzählt hatte, glaubte Yonathan zu wissen, dass hier einer dieser unheilvollen Bannsteine verborgen war. Er kannte auch den genauen Ort innerhalb der Stadt, wo er sich befand. Sein Leben hätte dort einmal fast ein jähes Ende gefunden, im Schwarzen Tempel von Abbadon.
    Kurz vor Anbruch der vierten Stunde signalisierten Garmoks Gedanken, dass die Ruinen in Sicht kamen.
    »Mitten darin muss ein schwarzes, sechseckiges Gebäude stehen. Siehst du es?«, erkundigte sich Yonathan.
    »Natürlich, den Schwarzen Tempel meinst du.«
    »Kannst du dort landen?«
    »Wenn ich auf euch keine Rücksicht nehmen müsste, wäre das kein Problem. Der Platz vor dem Tempel ist groß genug. Aber zum Starten müsste ich erst die halbe Stadt niedertrampeln, bevor ich genügend Anlauf fände.«
    »Dann geh am besten beim alten Hafen runter, zwischen dem Fluss und der zerbrochenen Stadtmauer. Ich kenne den Weg von dort bis zum Tempel.«
    Garmok folgte der Anweisung Yonathans und zog seine Landefurchen in den Wüstensand östlich der Stadt.
    »Ich mag diesen Ort ganz und gar nicht«, brummte Gimbar, noch etwas mitgenommen vom Flug.
    »Ich genauso wenig«, erwiderte Yonathan. Sein Kopf lag im Nacken und er blickte zu der unheilschwangeren dunklen Wolke hinauf, die seit Menschengedenken über der Stadt hing. »Ihr bleibt hier bei Garmok, bis ich wiederkehre.«
    »Kommt gar nicht in Frage. Ich gehe mit.«
    »Gimbar!« Yonathan versuchte streng zu klingen. »Du erinnerst dich doch noch, was geschah, als ich das letzte Auge zerstörte. Willst du wieder unter Schutt begraben werden?«
    »Ich finde schon ein Plätzchen, wo ich mich verkriechen kann.«
    »Und wer passt in der Zwischenzeit auf Bithya und Yamina auf? Willst du sie etwa dem Drachen überlassen?«
    »Das ist nicht fair.«
    »Wie darf ich das verstehen, Geschan?«, mischte sich nun auch Garmok ein. Es klang gekränkt.
    »Wir haben keine Zeit, länger über die ganze Angelegenheit zu diskutieren. Wenn euch ungewöhnliche Geräusche oder Lichterscheinungen aus der Stadt auffallen, wartet noch etwa eine Stunde. Sollte ich dann nicht zurückgekommen sein, fliegt ohne mich ab.«
    »War er immer so während eurer Reise?«, fragte Bithya Yamina.
    »Wenn du seinen Dickkopf meinst: ja.«
    Nachdem es Yonathan gelungen war sich aus den Armen Bithyas zu lösen, tauchte er in das Straßenlabyrinth Abbadons ein. Wie schon beim ersten Mal lief ihm auch jetzt ein kalter Schauer über den Rücken, als er zwischen den versteinerten Bewohnern der Stadt hindurchging. Überall standen sie, wie das Lebenswerk eines wahnsinnigen Bildhauers – manche von Wind und Wüstensand glattgeschliffen, andere, an geschützteren Stellen, so gut erhalten, als steckte unter einer dünnen Schicht aus Stein noch Leben.
    Vorsichtig bahnte er sich seinen Weg durch Gassen und Straßen, überquerte Plätze, wo einst der Handel geblüht hatte, und ging an Ruinen von Gebäuden vorbei, die immer noch etwas von ihrem ehemaligen Glanz ausstrahlten. Yonathan hatte für all das kein Auge. Er bewegte sich vorsichtig, als könne hinter jeder Ecke ein Feind lauern oder aus leeren Fenstern auf ihn herunterspringen. Doch nichts rührte sich. Es war ruhig – wie in einem Grab.
    Als er das erste Mal diesen Weg zurücklegte, hatte er geglaubt eine Stimme zu hören, Rufe zu vernehmen, die ihn in eine bestimmte Richtung lockten. Aber heute war es anders. Und doch wusste er, dass das Auge auf ihn wartete. Er konnte es spüren. Wie auf Har-Liwjathan schien es sich zu wappnen. Es sandte Signale des Hasses aus, erweckte Abscheu, den Wunsch sich umzudrehen und davonzulaufen. Doch Yonathan widerstand dem Drängen. Diese Gefühle kamen nicht aus ihm selbst, sondern waren ein vielleicht verzweifelter Versuch der Verteidigung.
    Dann betrat er den Platz im Zentrum, der zugleich auch der höchste Punkt der Stadt war. Vor ihm lag wie ein gewaltiger Monolith der Schwarze Tempel. Nur die zum Teil

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