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Isau, Ralf - Neschan 03

Titel: Isau, Ralf - Neschan 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lied der Befreiung Neschans Das
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unfähig sich zu rühren.
    »Das Kristall ist ungefähr so groß wie das Vogelkopf«, sagte Din-Mikkith nach einer Weile.
    Alle starrten den Behmisch an.
    »Du willst damit doch nicht etwa sagen…?« Gimbar schluckte.
    »Leider ja«, erwiderte Yonathan anstelle Din-Mikkiths. »Jeder der Steine, die ihr dort seht, steht für ein Wesen, das sich von dem Funkeln des Schlundes verführen ließ – die kleinen waren Tiere und die großen vermutlich Menschen, Behmische…«
    »Was haltet ihr davon, wenn wir weitergehen?«, schlug Yomi leise vor, aber laut genug, um Gehör zu finden. Schweigend, mit gesenkten Augen, die nur auf den nächsten Schritt achteten, bewegte die Gruppe sich weiter am Rande des Gemmenschlundes entlang.
    Während Yomi, Gimbar und selbst Din-Mikkith trotz aller Bestürzung eine gewisse Erleichterung verspürten, weil sie glaubten, endlich hinter das Geheimnis dieses Wächters gekommen zu sein, blieb Yonathan misstrauisch. Ihm erschien die Verführung durch die funkelnden Juwelen als zu offensichtlich. Wenn jemand ernsthaft in das Verborgene Land eindringen wollte, dann würde er sich wohl beherrschen und den Blick von den Steinen abwenden. Es musste noch eine andere Gefahr geben, eine gut getarnte Falle – mit Sorgfalt eingerichtet, listig angelegt, bereit, jeden Moment zuzuschnappen. Gerade wollte Yonathan wieder seine unsichtbaren Fühler ausstrecken, um rechtzeitig gewarnt zu sein, als Girith erschrocken von Din-Mikkiths Kopf aufflog.
    Der Behmisch blieb sofort stehen. »Was ist, Kleines?«, fragte er den Vogel, aber Rotschopf wollte sich nicht beruhigen. Aufgeregt flatterte er hin und her, auf und ab und rief immer wieder: »Din-Mikkith, liebes Din-Mikkith.«
    »Irgendwas stimmt nicht«, übersetzte der Behmisch.
    »Wartet!« Yonathan hielt die anderen zurück. Jetzt bemerkte auch er es. Beinahe hätte er seinen tastenden Geist zu spät vorausgeschickt, doch nun begriff er, worin die eigentliche Tücke dieses Ortes bestand. »Wir dürfen diesem Pfad nicht weiter folgen«, erklärte er beschwörend.
    »Du meinst, wir müssen umkehren?«, erkundigte sich Din-Mikkith vorsichtig.
    »Also hätten wir doch den anderen Weg gehen müssen«, meinte Yomi, nicht ohne eine gewisse Genugtuung.
    Yonathan hob die Hand. »Pscht!« Seine Augen waren auf einen bestimmten Punkt gerichtet, etwa drei Ellen jenseits des Weges, mitten in der Luft. »Der Pfad bewegt sich«, sagte er schließlich.
    Die Gefährten blickten sich um. Gimbar wagte als Erster zu sprechen. »Was willst du damit sagen? Ich kann nicht erkennen, dass der Weg sich auf irgendeine Weise verändert hätte.«
    »Genau darin besteht der Trick. ›Auge und Ohr sind sehr leichtgläubig.‹ Goel sagte dies einmal zu mir. Wir müssen hier entlang.«
    Zum Entsetzen seiner Gefährten machte Yonathan einen Schritt direkt über die Kante des Loches hinweg.
    Und blieb über dem Nichts stehen.
    Die drei Freunde waren nicht in der Lage ihrem Schrecken Ausdruck zu verleihen. Die Überraschungsschreie blieben ihnen im Halse stecken.
    »Das gibt es doch nicht!«, flüsterte Gimbar endlich. Er schüttelte unaufhörlich den Kopf und starrte auf Yonathans Füße.
    »Es ist wie eine Fata Morgana«, erklärte Yonathan geduldig, »eine Luftspiegelung: Etwas erscheint an einem Ort, befindet sich in Wirklichkeit aber ganz woanders. Kommt jetzt, schnell!
    Der Pfad windet sich ständig. Es fällt mir nicht leicht seinen Verlauf im Auge zu behalten.«
    »Wem sagst du das!«, keuchte Gimbar entsetzt. »Ich sehe überhaupt nichts – nur dieses Loch! Du hattest mir doch versprochen, für die nächste Zeit aufs Fliegen zu verzichten, und jetzt soll ich durch die Luft gehen?«
    »Ich habe dir gar nichts versprochen. Außerdem brauchst du dich nicht aufzuregen: Es sieht ja nur so aus, als würdest du durch die Luft gehen; in Wirklichkeit läufst du weiter auf massivem Fels.«
    »Na herrlich! Vielen Dank. Ich wusste ja schon immer, dass du kein Mitleid mit mir hast.«
    Unter Schieben und Ziehen gelang es den übrigen dreien, Gimbar auf den unsichtbaren Pfad zu bugsieren. Zwar war es auch Yomi und Din-Mikkith ganz und gar nicht wohl bei dieser ungewöhnlichen Übung, aber da sie beide leidenschaftliche Kletterer waren, störte sie der Anblick der bodenlosen Tiefe weniger als den höhenscheuen Gimbar.
    Yonathan gab sich die größte Mühe einen Fehltritt zu vermeiden. Er fühlte jedem einzelnen Schritt vor, nahm sich Zeit, vergewisserte sich sorgfältig; manchmal veränderte der Pfad

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