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Isau, Ralf - Neschan 03

Titel: Isau, Ralf - Neschan 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lied der Befreiung Neschans Das
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Geheimnis preisgeben? Er entschied sich für ein Teilgeständnis.
    »Ich habe mir die Bohne einfach gedacht und da ist sie erschienen.«
    Yamina rutschte auf dem Teppich zurück und lächelte. »Ich bin kein kleines Mädchen mehr, dem man erzählen kann, dass sich alles erfüllt, wenn man es sich nur stark genug wünscht.«
    »Du hast es nur noch nicht versucht, Yamina.«
    »Unsinn.«
    »Probier es doch einfach aus. Jetzt und hier!« Yonathan zeigte Yamina das Innere dreier leerer Zinnbecher, die noch vom Abendessen stehen geblieben waren, dann stülpte er die Trinkgefäße um und sagte: »Jetzt stell dir die Bohne unter einem der Becher vor.«
    Yamina sah Yonathan unsicher an.
    »Versuch es ruhig«, ermunterte er sie noch einmal.
    Die mandelförmigen Augen Yaminas wanderten zu den drei Bechern und Yonathan erkannte mit Haschevets Gabe des Gefühls, einer weiteren Facette des Koach, dass sich allmählich ein Bild in ihrem Geist formte. Er musste lächeln. »Nun heb den gewählten Becher hoch«, forderte er sie nach einer Weile auf.
    Yaminas Hand tastete langsam zu dem linken der drei Becher, schloss sich zögernd um dessen Rundung und hob ihn an.
    »Was ist das?«, entfuhr es Masong überrascht.
    »Ich würde es als eine wunderschöne rote Rubinbohne bezeichnen«, schlug Gimbar vor.
    »Wie kann das sein?«, rief Yamina verwundert aus. »Genau so habe ich sie mir vorgestellt.«
    »Siehst du«, sagte Yonathan, »es war doch gar nicht so schwer.«
    »Aber das ist unmöglich…!«
    Eine Geste Yonathans sollte Yamina warnen. Aber zu spät: Die Bohne war schon verschwunden.
    »Das hättest du nicht sagen dürfen«, erklärte er dem enttäuschten Mädchen. »Wer glaubt, der kann alles erlangen, aber wer zweifelt, der wird selbst das verlieren, was er schon sicher zu besitzen meinte.«
    Am nächsten Morgen bahnten Yonathan, Gimbar und Yamina sich ihren Weg zur nördlichen Stadtgrenze von Mezillah. Die Straßen waren bereits voll, obwohl die Sonne noch kaum über dem Horizont stand. Yamina saß schweigend auf dem Rücken ihres gedrungenen grauschwarzen Steppenpferdes, ritt voraus und grübelte.
    Yonathan hatte ihr verraten, dass er ein Bote des Lichts war, kein Zauberer, wie sie ihm anfangs unterstellte. Seine Worte hatte er sehr vorsichtig gewählt: Er könne ihr nicht mehr verraten, weil die Sache geheim und für ganz Neschan von größter Wichtigkeit sei, aber er müsse unbedingt den Drachenberg finden, um dort eine Aufgabe zu erfüllen.
    Diese Erklärung hatte Yaminas brennende Neugierde nicht befriedigt.
    Erst dachte Yonathan, das sei der Grund, weshalb sie nun so schweigsam vor sich hin starrte. Sie zogen an den letzten verstreuten Zelten am Stadtrand vorüber. Im Westen bohrte sich eine dunkle Rauchsäule in den Himmel.
    Um sie von ihren Grübeleien abzulenken, fragte er die junge Frau: »Was ist das für ein Feuer am Horizont?«
    Yamina wandte sich nicht um und ihre Stimme klang brüchig, als sie antwortete: »Schau am besten nicht hin.«
    Er spürte ihre Furcht. »Was ist damit – einmal abgesehen davon, dass es jetzt, im Sommer, ziemlich unangebracht ist?«
    »Sie verbrennen dort ihre Opfer.«
    »Sie?«
    »Die schwarzen Priester.«
    »Was sind das für Opfer?«, fragte Yonathan voll böser Vorahnung.
    Endlich drehte sich Yamina zu ihm um und blickte ihm ins Gesicht. »Menschenopfer!«
    Yonathan fühlte, wie sein Herz einen Augenblick aussetzte.
    »Jetzt verstehe ich, was du gestern Abend damit gemeint hast, als du sagtest, du wolltest nicht an die Altäre ausgeliefert werden.«
    Gimbar schüttelte sich bei der Vorstellung daran, was wohl gerade an dem unheiligen Platz geschah, von dem in der Ferne beständig Rauchwolken in die Höhe stiegen.
    Yonathans Verstand weigerte sich diese Ungeheuerlichkeit zu akzeptieren. Er hatte sein Pferd gezügelt und brütete vor sich hin.
    »Vergiss es«, durchdrang Gimbars Stimme seine düsteren Gedankengänge. »Ich weiß genau, was du jetzt vorhast. Du willst zu den Schwarzröcken hinüberreiten und ihr hässliches Feuer mit deinem Stab auslöschen.«
    »Und warum sollte ich das nicht tun?«
    »Weil wir dann binnen kürzester Zeit halb Temánah auf unseren Fersen hätten.«
    Yonathan biss die Zähne zusammen. Natürlich hatte Gimbar recht. Er trieb sein Pferd wieder an und ritt mit grimmiger Miene weiter. Yamina hätte nur allzu gern gewusst, was Gimbar mit seiner Bemerkung über den Stab hatte sagen wollen, jenen, den Yonathan nie aus den Händen gab. Aber das zornige Gesicht

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