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Isau, Ralf - Neschan 03

Titel: Isau, Ralf - Neschan 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lied der Befreiung Neschans Das
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ihres Besitzers ließ sie vorerst schweigen. Sie würde eine andere Gelegenheit finden dieses Rätsel zu ergründen.
    Allmählich wurde der grauschwarze Rauchfinger am südwestlichen Horizont kleiner. Von Mezillah war schon längst nichts mehr zu sehen, als Yonathan sich erneut an Yamina wandte. »Warum lassen die Menschen sich das gefallen, Yamina? Die Opfer müssen doch Familien besitzen, Freunde…«
    »Meistens sind es Mädchen; die will sowieso keiner haben. Manchmal verbrennen sie auch Verbrecher.«
    »Ich verstehe es trotzdem nicht.«
    »Sie versprechen sich dadurch die Gunst mächtiger Geister und Reichtum und Macht.«
    »Immer dasselbe«, murmelte Yonathan. »Nur die Methoden sind unterschiedlich.«
    »Wie bitte?«
    »Nichts, Yamina. Ich zweifle nicht daran, dass Bar-Hazzat – und noch viel mehr Melech-Arez, sein Herr – an diesen Opfern Wohlgefallen findet.«
    »Ich muss zugeben, dass sich viele, hier bei uns, an diese Riten gewöhnt haben; jeder hofft einfach, selbst verschont zu bleiben.«
    »Und wie denkst du darüber?«
    Yamina lächelte bitter. »Ich bin eine Frau. Außerdem diene ich Yehwoh, nicht Bar-Hazzat.«
    »Das freut mich.«
    »Dass ich eine Frau bin?« Die Stimme klang spöttisch, aber in ihren schwarzen Augen spiegelte sich noch etwas anderes.
    Während Gimbar auflachte, wurde Yonathan rot und stammelte etwas von zwei Wegen, zwischen denen man sich entscheiden müsse. Dann zog er sich wieder hinter seinen grimmigen Gesichtsausdruck zurück.

VI.

Die blaue Braut
      
      
    Die Steppe war so weit wie das Meer. Auch am elften Tag, nachdem sie Mezillah verlassen hatten, hob und senkte sich das Land wie die Dünung nach einem Unwetter auf See.
    Yamina erwies sich als eine wertvolle Reisegefährtin und Yonathan fragte sich schon bald, wie sie überhaupt ohne das Nomadenmädchen hatten auskommen können. Sie kannte das Land und seine Bewohner. Dort, wo Yonathan und Gimbar nur noch die Sonne als letzte Orientierungshilfe blieb, entdeckte Yamina andere Zeichen, Wegmarken, die sie in ihrem Kurs bestätigten. Und wenn man auf eine Reisegesellschaft stieß – dies war vor allem in den ersten Tagen häufiger der Fall gewesen –, dann flüsterte das Mädchen ihren Begleitern die passenden Fragen oder Antworten unauffällig zu.
    Die Ostleute waren Meister darin, mit vielen Worten wenig zu sagen; allein die Begrüßungszeremonie nahm manchmal eine halbe Stunde in Anspruch. Wer sich allerdings nicht auf ihre Sitten verstand, der konnte sie durch eine unbedachte Äußerung auch schnell verärgern. Und da die Steppenmänner mit ihren Dolchen ebenso flink waren wie mit ihren Zungen, konnte aus einer als Stichelei empfundenen Bemerkung jederzeit eine ungewollte Stecherei entstehen.
    Derartiges blieb Yonathan und Gimbar zum Glück erspart – dank Yamina. Obwohl sie sich bei Begegnungen mit anderen Reisenden stets im Hintergrund hielt, halfen ihre »Einflüsterungen« doch wertvolle Informationen über die Gegend südlich des Tausend-Seen-Landes in Erfahrung zu bringen. Gimbar entwickelte sich bei diesen Gesprächen zum Wortführer. Sein Verhandlungsgeschick und Yaminas Kenntnis der ortsüblichen Bräuche machten aus den beiden ein unschlagbares Gespann.
    Das letzte Zusammentreffen mit einer kleineren Sippe lag schon vier Tage zurück. Seitdem hatten die drei Reiter auf der endlosen Steppe geraden Kurs nach Norden gehalten. Der Wind strich über das weite Grasland, zerrte an ihren Gewändern und den Lederschnüren der Satteltaschen. In der Ferne zogen am Himmel Wolkenberge vorbei. Ein friedliches, ruhiges Bild.
    Yonathan hatte nicht sehr gut geschlafen; ein düsterer Traum, an den er sich nicht mehr recht erinnern konnte, weckte in ihm ungute Vorahnungen. Da waren Schreie gewesen, Schmerzen, blinder Zorn und – Todesangst! Doch alles blieb wie im Nebel verborgen, unklar und unerklärlich.
    Sein grauer Hengst tänzelte nervös. Das Tier schien die Unruhe seines Herrn zu spüren.
    Schließlich brach Gimbar das Schweigen, das schon seit einiger Zeit die kleine Gruppe beherrscht hatte. »Vor uns steigt Rauch auf. Seht ihr?«
    Yonathan schreckte aus seinen Gedanken auf. »Doch nicht schon wieder…?«
    »Nein«, sagte Yamina, aber ohne Entwarnung in ihrer Stimme. »Nicht hier. Hier gibt es keine Stadt und die schwarzen Priester errichten ihre Altäre nur dort, wo sie auch genügend Opfer finden.«
    »Könnte es ein Steppenbrand sein?«
    Yamina schüttelte den Kopf. »Es ist noch zu früh. Der Morgentau ist noch

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