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Isau, Ralf - Neschan 03

Titel: Isau, Ralf - Neschan 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lied der Befreiung Neschans Das
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den Bar-Hazzat ihm noch gelassen hatte.
    Die Gabe des Gefühls ließ Yonathan an dieser gefährlichen Entwicklung teilhaben. Er hätte es wissen müssen. Durch den Handel mit der Rose hatte er Zeit gewonnen, wichtige Zeit, aber nicht mehr. Da die eigentliche Gefahr von dem Wächter und nicht von dem Auge ausging, konzentrierte er sich nun ganz auf den Drachen. Der glaubte seinen Schatz behalten und einen neuen dazugewinnen zu können. Sogar sein Leben würde er nun aufs Spiel setzen, um dieses Vorhaben zu verwirklichen.
    Garmok richtete sich auf und holte Luft. Yonathan wusste, dass er sofort handeln musste. Er sammelte alle seine Kraft, sandte ein Stoßgebet zu Yehwoh.
    Einen Herzschlag später dachte Garmok, seine Augen versagten ihm den Dienst. Das winzige Menschlein vor seinen Nüstern begann zu wachsen, wurde immer größer und verwandelte sich schließlich in einen Drachen, gewaltiger und furchteinflößender noch als er, Garmok, selbst. Er zögerte.
    Dieser Moment des Zauderns genügte Yonathan. Er wirbelte herum und schleuderte alle Kraft gegen Bar-Hazzats Auge. Ein gleißender Blitz schoss aus dem Knauf des Stabes. Rote und blaue Lichtstrahlen vermischten sich, schienen einander zu umschlingen, während sie der Höhlendecke entgegenstrebten. Die Luft zischte wie Wasser auf einer heißen Herdplatte und ein Sturm tobte durch den Felsendom.
    Yonathan konnte sich nur mit Mühe auf den Beinen halten. Seine Knie drohten nachzugeben. Vielleicht hatte er den karminroten Bannstein unterschätzt. Jedenfalls gab es da noch etwas anderes in dem Kristall und dieses Etwas wehrte sich mit erschreckender Macht. Es war ein Kampf übernatürlicher Gewalten. Auch wenn Yonathan nur das Koach lenkte, kostete diese Auseinandersetzung doch all seine Kraft. Seine Reserven waren nicht unerschöpflich. Er spürte, wie er schwächer wurde. Doch das Auge wehrte sich immer noch.
    Als die beiden flammenden Tentakel die Höhlendecke erreichten, fielen Steine zu Boden. Yonathan musste sofort reagieren, um nicht von den herabfallenden Brocken erschlagen zu werden. Er setzte die Gabe der Bewegung ein und erschuf einen unsichtbaren Schutzpanzer; aber der entzog ihm nur noch schneller die Energie. Er rang nach Atem, keuchte. Schweiß rann in Strömen über seinen Körper. Er war kurz vor dem Zusammenbrechen.
    »O Yehwoh! Hilf mir!« In einem Schrei, der nicht menschlich war, riss er den Stab in die Höhe, stürzte nach vorn und schmetterte den Knauf Haschevets gegen das Auge. Für einen winzigen Augenblick sah er die wahre Gestalt des Steins, die sich aus der Hülle des Kristalls befreite, ein schreckliches Bild, das ihm den Verstand geraubt hätte, wenn nicht der schützende Schirm des Koachs da gewesen wäre.
    Dann erfolgte eine ungeheure Explosion. Eine karminrote Flammensäule schoss in die Höhe. Sie zerriss das Gewölbe der Höhle und bahnte sich ihren Weg in den Nachthimmel. Menschen, Tiere und andere Geschöpfe im weiten Umkreis glaubten für kurze Zeit, eine blutrote Hand zu sehen, die nach dem Mond griff, um ihn vom Himmel zu holen. Doch dann verblasste die grauenhafte Kralle und verging in einer glühenden Wolke, die der Wind langsam zerfaserte, bis es sie nicht mehr gab.

IX.

Der Jäger vom Turm
      
      
    Platschend fiel Tropfen für Tropfen auf den nassen Stein. Ein nur zu bekanntes Geräusch in dieser dunklen Gruft, die ihn nun schon so lange lebendig begraben hielt. Er hatte nicht viel geschlafen. Er ruhte nie viel hier unten. Meist verharrte er nur in einem Zustand des tiefen In-sich-versunken-Seins, einer Art geistiger Balance zwischen Erinnerung und Zukunftsvision. Nein, das Tröpfeln hatte dieses teilnahmslose Gleichgewicht nicht gestört. Weder das Wasser, das von den Wänden rann, noch Firn waren dazu in der Lage. Höchstens vielleicht die Ratten – aber auch nur, wenn er Hunger verspürte.
    Warum aber fühlte er dann diese seltsame Unruhe? Die feuchte Luft schien geladen, wie vor einem Sommergewitter. Ohne ersichtlichen Grund waren seine Nerven angespannt. Sämtliche Haare seines Körpers standen ihm zu Berge. Etwas Wichtiges geschah in diesem Augenblick.
    Dann hörte er den Schrei. Der Schwarze Turm von Gedor erzitterte unter einem schrecklichen Kreischen. Unbeschreiblicher Schmerz lag darin. Der Jäger kannte die Stimme und er wusste, was dies bedeutete – Menschen schrien so, wenn man sie mit einem glühenden Eisen blendete.
    Die schlurfenden Schritte kamen zu früh. Erst in einigen Stunden war die nächste

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