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Isau, Ralf - Neschan 03

Titel: Isau, Ralf - Neschan 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lied der Befreiung Neschans Das
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Stelle des Raums den Boden öffnen konnte. Die in Ungnade Gefallenen gelangten durch die Klappe jedenfalls in einen scharfkantigen Schacht, durch den sie senkrecht bis in die Grundfesten des Turmes fielen. Wenn sie dort ankamen, war von ihnen nicht mehr viel übrig. Und trotzdem schien ihr Schicksal vielleicht besser zu sein als das derjenigen, die, wie es Sethur ergangen war, als lebende Tote im Kerker des Turms schmachteten.
    An diesem berüchtigten Tisch blieb der Jäger stehen und verneigte sich tief in die Richtung der dahinter stehenden schwarzen Gestalt. Er vermied es, den Blick auf die drei rot glühenden Punkte unter der Kapuze des weiten Gewandes zu richten.
    »Es ist gut, dass ich dich so lange am Leben erhielt«, sprach die dunkle Gestalt.
    Also lag es doch nicht allein an den Übungen und den fetten Ratten, dachte der Jäger.
    »Eure Gnade ist groß, mein Gebieter.«
    »Ich kenne keine Gnade«, erklang Bar-Hazzats Stimme so ruhig, so ausdruckslos, dass es dem Jäger einen kalten Schauer über den Rücken trieb. Er spürte das karminrote Glimmen der Augen auf seinem gesenkten Haupt. »Erhebe dich«, forderte die gefühllose Stimme nach unendlich langer Zeit.
    Der Jäger gehorchte.
    »Du weißt, warum ich dich rufen ließ?«
    »Geschan.«
    »Du hast meinen Klageruf gehört.«
    »Wie hätte ich nicht, Gebieter?«
    »Du vermutest richtig. Der Wurm ist aus seinem Loch gekrochen und wagt es, sich gegen mich zu erheben.«
    »Er hat eines Eurer Augen gefunden.«
    »Nicht nur das. Er rief das Feuer Haschevets darauf herab. Nun verbleiben mir noch fünf der karminroten Steine.«
    »Ich nehme an, Ihr habt bereits einen Plan ihn zu vernichten.«
    Bar-Hazzat schwieg einen Augenblick. Als er wieder sprach, klang seine Stimme so ausdruckslos wie zuvor. »Geschan ist ein schwacher Mensch. Ich weiß nicht, warum Yehwoh gerade ihn erwählte. Der lang ersehnte siebte Richter hat bereits seinen ersten Fehler begangen.«
    »So?« Der Jäger glaubte einen Ton der Geringschätzung in Bar-Hazzats Worten wahrzunehmen.
    »Vor nicht ganz sechs Wochen hat Geschan sich verraten. In der Ostregion, nördlich von Mezillah, benutzte er das Koach. Ich habe ihn gereizt und er hat in einem Anfall von Rührseligkeit die Macht des Stabes gebraucht.«
    Der Jäger erinnerte sich an das, was Bar-Hazzat Rührseligkeit nannte. Diese Eigenschaft des Knaben hatte ihn einst zur Strecke gebracht.
    »Was gedenkt Ihr zu tun, Gebieter?«
    »Ich habe bereits etwas getan. Gemäß der Prophezeiung sind die Tage Goels gezählt und so wusste ich, dass bald etwas geschehen musste. Seit Wochen schon warteten meine Heere am Fuße des Grenzgebirges, meine Flotte war bereit zum Auslaufen. Zwar gelang es meinen Priestern nicht, Geschan auf seinem Weg nach Osten aufzuhalten, aber sobald ich seine Macht spürte, gab ich Befehl zum Aufbruch der Heere. Die letzten Meldungen sind gut. In drei Tagen wird der Sturm auf die Stadt des Lichts beginnen, während der siebte Richter noch viertausend Meilen weit entfernt durch die Steppe hetzt. Wenn er Cedanor erreicht, wird er nichts als Trümmer vorfinden.«
    Nun glaubte der Jäger sogar Vorfreude in Bar-Hazzats Stimme zu entdecken. Noch nie hatte er ihn derart aufgekratzt erlebt. Er hielt den Zeitpunkt für gekommen, die eine Frage zu stellen. »Warum habt Ihr mich aus dem Kerker rufen lassen, mein Gebieter?«
    »Weil ich diesen Richter endgültig vernichten will«, kam die Antwort unvermutet heftig. »Um Cedanors Gegenwehr mache ich mir keine Gedanken – Kaiser Zirgis ist praktisch schon in meiner Hand. Aber erst, wenn ich Geschan getötet habe, wird mir niemand mehr die Herrschaft über Neschan streitig machen. Die Weltentaufe wird dann die Ordnung besiegeln, die seit Ewigkeiten vorgegeben ist.«
    »Ihr meint, wie Melech-Arez sie sich gewünscht hat.«
    »Haben die Ratten an deinem Verstand genagt, dass du es wagst das Wirken unseres Gottes anzuzweifeln?«
    »Ich würde nie die Bestimmung des Melech-Arez’ in Frage stellen«, beeilte sich der Jäger zu versichern und schlug ergeben die Augen nieder. »Ebenso wenig wie die Eure, der Ihr sein erster Fürst seid. Doch bedenkt, dass es Yehwohs Richter ist, gegen den Ihr Pläne schmiedet.«
    »Yehwoh hat nie bestritten, dass Melech-Arez der Gott dieser Welt ist.«
    »Ich nehme an, Ihr habt mich nicht rufen lassen, um mit mir über die Eigentumsansprüche der Götter zu disputieren.«
    »Für einen Todgeweihten sprichst du reichlich kühn.« Es trat eine unangenehme Pause ein.

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