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Isau, Ralf - Neschan 03

Titel: Isau, Ralf - Neschan 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lied der Befreiung Neschans Das
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heiße Flammen selbst nasses Holz entzünden konnten – auch diese Geschosse waren ein Produkt aus Barasadans Labor.
    Zur vierten Stunde nach Ausbruch der Kämpfe wagte Qorbán eine erste Beurteilung der Lage: »Im Moment halten wir uns noch ganz gut. Was meint Ihr, Hoheit?«
    Felin drehte sich zu seinem Schwertmeister um, sodass Qorbán in die blauen, immer traurigen Augen sehen konnte. »Was den Augenblick betrifft, mögt Ihr Recht haben. Aber wie lange werden wir die Kraft besitzen einen solchen Ansturm abzuwehren? Ich wünschte, ich könnte mehr tun. Mit Bar-Schevet in der Hand…«
    »Vergesst das lieber«, fiel Qorbán dem Prinzen ins Wort. »Ihr würdet keinen Speerwurf weit kommen, wenn Ihr Euch in dieses Getümmel dort hinauswagtet.«
    »Ich weiß.« Felin nickte, doch er sah wenig überzeugt aus. »Es fällt mir schwer zu akzeptieren, dass…«
    Weiter kam er nicht. Ein schrilles Kreischen unterhalb der Mauerkrone hatte ihm das Wort abgeschnitten. Es war nicht das gleichförmig misstönende Kampfgebrüll, an das sich die Verteidiger schon fast gewöhnt hatten, sondern ein Aufheulen wie unter fürchterlichsten Schmerzen. Tatsächlich pressten sich viele der Südländer die Hände auf die Ohren – soweit sie dazu in der Lage waren. Andere rollten sich am Boden, als peinigten sie schlimmste Qualen, oder sie zuckten, wie von heftigen Krämpfen geschüttelt. Dann kam Bewegung in das dunkle Heer – es zog sich zurück.
    »Ich kann es kaum glauben!«, entfuhr es Qorbán.
    »Irgendwas muss sie unheimlich gestört haben«, meinte Yomi.
    »Ja, nur was?« Felin hätte es gern gewusst.
    So unerklärlich das plötzliche Zurückweichen des temánahischen Heeres auch war, den Verteidigern kam es sehr gelegen. Niemand glaubte an einen dauerhaften Rückzug des Gegners. Aber wenigstens konnte man nun neue Kraft sammeln, sich um die Verwundeten kümmern und die Gefallenen beiseite schaffen.
    Der Morgendunst hatte sich längst verzogen, die Sonne würde ihren Zenit aber erst in etwa zwei Stunden erreichen. Das nördliche Cedanufer hatte Bomas erfolgreich verteidigen können, keiner der Feinde war lebend dem Wasser entstiegen. Kleinere Kriegsschiffe der cedanischen Flotte waren ihm dabei zu Hilfe gekommen. Die Schwimmenden wurden entweder von Bord aus mit Pfeilen beschossen oder von dem Bug der Boote unter Wasser gedrückt.
    Felin sammelte Berichte, Verlust- und Schadensmeldungen. Er erteilte Befehle, gab Ratschläge oder sprach den erschöpften Männern einfach nur Mut zu. Der Herzog von Doldoban, der das Kommando an der Ostmauer hatte, kam persönlich zum Rapport. Die Verteidigungsanlagen dort seien nun fertig gestellt – die Einschätzung, wie lange sie bestenfalls halten würden, verriet ihm der Prinz nicht.
    Beunruhigende Nachrichten kamen aus der Oberstadt. Einige der temánahischen Kletterzwerge hatten die Klippen erklommen und waren in die Gärten der dortigen Villen eingedrungen. Man hoffte alle Störenfriede unschädlich gemacht zu haben. Felin erteilte trotzdem Order die Schutzmannschaften im Süden der Stadt zu verdoppeln.
    Nach etwa anderthalb Stunden schwappte die zweite Angriffswelle heran. Die grauenhaften Kämpfer schienen nun noch wahnsinniger als zuvor. Unter markerschütterndem Gebrüll stürmten sie ohne Rücksicht auf die eigene Person zur Stadtmauer vor, versuchten Leitern anzulegen und starben klaglos unter den Geschossen der Wurfmaschinen oder den brodelnden Sturzbächen der Siedewannen.
    Und doch glaubte Felin eine Veränderung wahrgenommen zu haben. Dieser Ansturm fiel lange nicht so kraftvoll aus wie der erste. Es sah fast aus, als hätte die Führung der Gegenseite nur Hilfstruppen vorgeschickt, um die Verteidiger zu beschäftigen. Bald schon meinte er den Grund für diese Taktik zu kennen.
    Im Nordwesten ergoss sich eine riesige Schar von Kämpfern in den Cedan. Felin erschrak. Keine Frage, ein Ablenkungsmanöver war das sicher nicht. Er dachte an die Geschichte von den Lemmingen, die sich zu bestimmten Zeiten scharenweise in den nassen Tod stürzten. Doch was hier vor sich ging, stellte alles in den Schatten. Sicher hatte es nichts mit Todessehnsucht zu tun, auch wenn ein Gutteil der schwimmenden Armee kaum das zwei Meilen entfernte Gegenufer erreichen würde. In größerer Zahl wurden auch wieder Flöße ins Wasser geschoben; offenbar hatte man inzwischen das nötige Holz aus den nahen Sümpfen herbeigeschafft.
    Felin verfolgte die dunkle Masse, die langsam durch das Wasser glitt, mit

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