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Isau, Ralf - Neschan 03

Titel: Isau, Ralf - Neschan 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lied der Befreiung Neschans Das
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an den Herzog. »Kann man ihn nicht in die Stadt bringen?«
    Doldoban schüttelte den Kopf. »Es ist zu gefährlich. Er darf sich nicht bewegen. Aber der Arzt muss gleich kommen.«
    »Unsere Heiler haben wenig Glück in den letzten Tagen«, sagte Bomas leise. »Verlieren einen Kaiser nach dem anderen.«
    »Sei jetzt still und schone deine Kräfte«, ermahnte ihn Felin.
    »Das hat keinen Zweck mehr, mein kleiner Bruder. Du musst jetzt an meiner Stelle als Kaiser herrschen. Meinst du, ich kenne nicht die › Prophezeiung vom Brunnen‹? Geschans Weissagung bewahrheitet sich; daran konnten weder unser Vater noch ich etwas ändern.«
    »Er hat nicht vorhergesagt, dass ich auf diese Weise Kaiser werden soll.«
    »Du belügst dich selbst, Felin.« Bomas verzog das Gesicht schmerzerfüllt. Ein dünner Blutfaden rann aus seinem Mundwinkel. Dann hatte er sich wieder in der Gewalt. »Ich gehe jetzt«, sagte er leise, doch mit großer Würde. »Sorge dafür, dass mein Tod nicht umsonst war. Halte die Stadt, bis der siebte Richter kommt.« Bomas hustete, mehr Blut quoll aus seinem Mund. »Und… und verachte mich nicht, mein Bruder. Vergiss nie, dass ich dich immer geliebt habe.«
    Mit einem langen Seufzer hauchte Bomas sein Leben aus. Im Tod glich er seinem Vater: ein Kaiser, gewaltsam getötet und doch mit friedlichem Ausdruck im Gesicht.
    Felin stolperte benommen hinter den Soldaten der Grenzarmee her, die ihren Kommandanten auf einer Bahre aus Lanzen und Schilden durch die Stadt trugen. Das Ziel war der Sedin-Palast. Felin hatte angeordnet, dass sein Bruder im Saal der Rechtsprechung aufgebahrt werden sollte. Danach hatte er nichts mehr gesagt, sich ganz der Trauer hingegeben.
    Bomas hätte nicht so gehandelt, das wusste er. Sein Bruder hatte immer einen klaren Kopf behalten, sich durch nichts aus der Fassung bringen lassen. Aber Bomas war tot! Ebenso wie sein Vater – beide dahingerafft von der Hand temánahischer Mörder!
    Felin achtete weder auf die vorbeiziehenden Straßen noch auf den immer länger werdenden Zug von Menschen, der sich ihnen anschloss. In seinen Augen standen Tränen, aber ein letzter Rest von höfischer Zucht sagte ihm, er müsse sie zurückhalten, habe den Menschen Mut zu geben, indem er sich nicht gehen ließ, sondern eine würdige Haltung bewahrte.
    Nachdem der tote Kaiser in der Vorhalle des Thronsaals aufgebahrt worden war, fand Felin endlich die ersehnte Stille. Es hatte ihn große Kraft gekostet, noch einmal die Stimme zu erheben, um sich im Weiteren jegliche Störung zu verbitten. Jetzt war er ganz allein mit seinem toten Bruder. Die Ruhe des großen Raumes wirkte auf ihn wie früher die Umarmung seiner Mutter – sie hatte immer einen Trost gefunden für den dünnen, kleinen Prinzen, wenn er mit seinen großen Sorgen zu ihr gekommen war.
    Unterdessen braute sich ein verheerendes Unwetter über Cedanor zusammen. Der Tod des Kaisers mobilisierte bei dem Feind neue Kräfte. Hatte zu Beginn die Angriffsstrategie eigentlich nur im rücksichtslosen Verschleiß der eigenen Kämpfer bestanden, waren jetzt Anzeichen einer durchtriebenen Taktik erkennbar. Riesige Flugwesen, größer als jeder Vogel und von der Gestalt her schwarzen Rochen ähnlich, kreisten über der Stadt und ließen Felsbrocken fallen. Wo die Steinlasten niedergingen, blieb eine Spur der Zerstörung zurück: verwüstete Häuser oder erschlagene Menschen. Im Südwesten und Süden verstärkte sich der Druck durch die kleinen Kletterer, die in immer größeren Scharen die Klippen emporstürmten; sie banden Kräfte, die an anderen Stellen der Stadt dringend benötigt wurden. So etwa im Osten. Unmittelbar nachdem der Leichnam des Kaisers in die Stadt getragen worden war – gefolgt von dem aschblonden Krieger mit dem gewaltigen Schwert –, kehrten die temánahischen Schiffe zurück. Sie warfen Hunderte und bald Tausende von Kämpfern an den Strand, die den Belagerungsring um Cedanor schlossen.
    Während die schwarze Flotte weitere Einheiten an die Ostseite der Stadt verlegte, begannen andere Belagerer Brandpfeile über die Mauern zu schießen. Die Sonne stand schon tief am Horizont, und während die Schatten im Gassenlabyrinth Einzug hielten, flammten an immer neuen Stellen Feuer auf. Die Löschmannschaften hatten alle Hände voll zu tun die Brände unter Kontrolle zu halten und dabei nicht von den Steinbrocken der fliegenden Ungeheuer getroffen zu werden.
    Dann geschah, was auf jeden Fall hätte verhindert werden müssen: Einer ganzen

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