Isau, Ralf - Neschan 03
Bomas Felins Auswahl von Getreuen um Barasadan, den Künstler und Hofingenieur des früheren Kaisers, der auch ein Erfinder von raffiniertem Kriegsgerät war, dazu kamen der Herzog von Doldoban, Fürst Melin-Barodesch und General Targith, dem der kaiserliche Geheimdienst unterstand. Außerdem zog er vier seiner eigenen Generäle hinzu, die in den schweren Jahren an der Südgrenze Loyalität und Umsicht bewiesen hatten. Alles in allem aber war die Zahl derer klein, die ihren Treueschwur leisteten zur Unterstützung des neuen Kaisers.
Diesen Titel nämlich durfte Bomas nun rechtmäßig tragen. In einer kurzen und – nach dem Urteil der trauernden Kaiserin – völlig glanzlosen Feier war er am Morgen nach Zirgis’ Tod zum neuen Oberhaupt des Cedanischen Reiches gekrönt worden. Herolde riefen die Nachricht anschließend in der Stadt aus und gaben den Menschen dadurch ein wenig von dem Mut zurück, den sie infolge der beunruhigenden Nachrichten fast völlig verloren hatten.
Die von Bomas befürchtete Panik blieb aus – obgleich die bedrohliche Situation, in der sich die Stadt befand, offensichtlich war. Jetzt, da die Menschen wussten, dass ihr größter Feldherr sie anführte und sein jüngerer Bruder ihm mit dem legendären Schwert Bar-Schevet zur Seite stand, dachten nur wenige an Flucht. Genau diese neue Zuversicht, im Verein mit der bannenden Kraft von Felins Schwert, war es, die den Einfluss des Auges Bar-Hazzats, tief unten im Herzen des Palastberges, schwächte.
Schon am Todestag des alten Kaisers hatten die umfangreichen Arbeiten zur Verstärkung der Befestigungsanlagen begonnen und sie setzten sich über die folgenden zwei Tage fort. Bomas ließ eine große Zahl von Holzpfählen zuspitzen und vor den Stadtmauern schräg in die Erde rammen, Reihe um Reihe, ein rund eine halbe Meile breiter Gürtel todbringender Spieße, der schließlich dem Feind entgegenstarrte. Außerdem rückten ganze Heerscharen von Helfern an, die den Bereich vor der Stadtmauer mit Gräben durchzogen, die ebenfalls mit Pflöcken gespickt waren und zur Tarnung mit Stoffplanen oder Palmwedeln sowie mit einer dünnen Erdschicht abgedeckt wurden.
Auf Anraten Kaldeks wurden alle Schiffe, die sich in dem Vorhafen außerhalb der Mauern befanden, in die Stadt geholt. Anschließend schloss man die drei übereinander liegenden Flügelpaare der Wassertore, durch die der künstliche Nebenarm des Cedan die Kanäle der Unterstadt speiste. Zum ersten Mal seit zweihundert Jahren ließ man auch wieder die schweren Steinquader herab, die den Innenhafen so gründlich abschotteten, dass weder Wasser noch feindliche Taucher eindringen konnten.
Am Abend nach Bomas’ Krönung fand eine schlichte Trauerfeier statt; Zirgis wurde zur letzten Ruhe gebettet. Der neue Kaiser und sein Bruder verfolgten die Zeremonie mit versteinerten Mienen, sie trugen ihren Gram im Herzen. Die Kaiserin dagegen war in Tränen aufgelöst, wobei ihre Klage nicht nur dem schmerzlichen Verlust, sondern ebenso dem bescheidenen Rahmen der Totenfeier galt. Wie das Volk von Cedanor hatte sie in den letzten Jahren unter ihrem charakterlich gewandelten Gatten sehr gelitten.
Nach dem Staatsbegräbnis setzte der Kriegsrat um den jungen Kaiser seine Beratungen fort. Viele Einzelheiten mussten noch besprochen werden, eigentlich zu viele für die wenige Zeit, die noch verblieb. Fähige Bürger der Stadt und Offiziere im Ruhestand wurden mit wichtigen Nachschubaufgaben betraut – etwa dem Bestücken der Stadtmauern mit Pechwannen und Geschossen für die Wurfgeräte, der Einrichtung von Lazaretten, der Beschaffung von Löschgerät sowie der Einteilung der dazugehörenden Mannschaften und etlichem mehr.
Jeder gab sein Bestes. Selbst Barasadan, das kaiserliche Hofgenie, wollte da nicht zurückstehen. In seiner gewohnt umständlichen Art erläuterte er Bomas, was er zur Verteidigung der Hauptstadt beizutragen gedachte. »Euer Vater insistierte schon vor Dekaden, dass ich mich vehementer um die Konstruktion strategischer Defensivmaßnahmen kümmern sollte. Ich habe deshalb eine Anzahl wirklich interessanter Pretiosen entwickelt, die unseren temánahischen Okkupatoren einige todverheißende Spektakel bereiten könnten. Wenn Ihr erlaubt, würde ich mich gerne noch ein wenig um die Präparation dieser Überraschungsattraktionen kümmern.«
Bomas seufzte. »Seit ich das letzte Mal im Palast gewesen bin, habt Ihr Euch kein bisschen verändert, werter Barasadan. Geht nur. Leitet alles in die Wege und
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