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Isau, Ralf

Isau, Ralf

Titel: Isau, Ralf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerry
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Die verlorene Unschuld zurückgewinnen wollen und jetzt – seht ihr nicht den Namen des Buches?«
    Natürlich war auch Herrn Trutz und Qutopía der Titel längst aufgefallen. Und jetzt lasen sie ihn ein weiteres Mal:
    Die unendliche Geschichte
    »Ich hab's vermasselt. Phantásien ist der Vernichtung geweiht«, jammerte Karl.
    Der Meisterbibliothekar blieb erstaunlich ruhig. Er sah ein wenig aus wie ein Mann, der gerade eines Wunders ansichtig geworden war. Lächelnd schüttelte er den Kopf. »Nein, mein lieber Karl. Sie haben alles richtig gemacht. Können Sie sich noch erinnern, was Albega und ich Ihnen über die Legende von der Wissenden Druse erzählt haben?«
    »O ja! Nur zu gut. Albega meinte, Die verlorene Unschuld werde irgendwann vom Angesicht Phantásiens verschwinden, und dann müsse es neu erschaffen werden. Er sagte auch sinngemäß, er wolle sich lieber nicht vorstellen, was passieren würde, wenn das Nichts in die Wissende Druse Einzug hielte.« Karl schüttelte verzweifelt den Kopf. »Ich wäre fast in dieses Nichts hineingetappt. Die verlorene Unschuld ist weg. Jetzt muss Phantásien untergehen.«
    Herr Trutz tätschelte ihm die Schulter. »Ruhig Blut, mein lieber Freund. Die Weissagung spricht nicht von Untergang, sondern von einer Neuschöpfung.«
    »Das eine kann wohl kaum ohne das andere geschehen.«
    »Mag sein, vielleicht aber auch nicht. Eine Raupe verwandelt sich auch in einen Schmetterling, ohne sterben zu müssen. Im Moment wissen wir nur, dass unweigerlich geschehen wird, was die Prophezeiung angekündigt hat, nicht aber wann.«
    »Lasst uns doch mal reinschauen«, schlug Qutopía vor und deutete mit dem Kinn auf das kupferfarbene Buch.
    Karl zögerte.
    »Nur zu«, ermunterte ihn Herr Trutz.
    Also öffnete Karl als erstes Geschöpf Die unendliche Geschichte und erlebte sofort die nächste Überraschung. »Ach du liebes bisschen!«
    »Sie wiederholen sich, mein Guter. Aber irgendwie ergibt das einen Sinn«, erklärte Herr Trutz.
    »Ich kann nichts Sinnvolles an einem so dicken Buch voller leerer Seiten finden«, schnaubte Qutopía.
    »Doch, meine Liebe«, widersprach der Bibliothekar feierlich. »Phantásien wird neu erschaffen werden. Manches mag auch danach so sein, wie wir es kennen, anderes wird uns fremd erscheinen – vorausgesetzt, wir erleben diese neue Welt. Jemand anderer wird es ganz sicherlich.«
    »Wen meinen Sie?«, fragte Karl.
    »Derjenige, dem Sie heute den Weg geebnet haben, mein lieber Freund. Derjenige, der dieses Buch einmal wird lesen können. Der seine eigene Geschichte darin findet.«
    »Aber ... woher wollen Sie das wissen?«
    Herr Trutz lachte leise. »Bei aller Bescheidenheit, Karl, aber ich bin schon etwas länger in Phantásien unterwegs als Sie. Glauben Sie mir, diese Welt hat schon manche Neugeburt erlebt.«
    Ehe Karl seine Sprache zurückgewinnen konnte, flatterte ein Buchfalter herbei. Es war wieder Torkelmund. »Eilmeldung, Eilmeldung«, verkündete er und landete auf Herrn Trutzens Rechter, die den Gehstock hielt.
    »Was ist denn so wichtig, kleiner Fühlermann?«, fragte der Alte freundlich.
    »Gerade ist ein Poststorch von der Kindlichen Kaiserin eingetroffen. Der Bote wartet oben in deinem Arbeitszimmer auf dich.«
    »Heißt das ...?«
    »Ja, ja, ja, ja«, antwortete Torkelmund, bevor der Bibliothekar seine Frage überhaupt aussprechen konnte. »Sie ist wieder da! Die Goldäugige Gebieterin weilt wieder unter uns.«
    ∞
      
    Es war derselbe Grünling, der Karl schon in Wolkenburg beliefert hatte, und wie vor drei Tagen verblüffte Flatterich ihn auch diesmal. »Die Kindliche Kaiserin schickt Ihnen das hier.« Er reichte Karl eine wunderschöne, auf Hochglanz polierte Holzschatulle mit kunstvollen Intarsienarbeiten. In der Mitte des Deckels war das kaiserliche Siegel zu sehen, das Oval aus der dunklen und hellen Schlange.
    »Für mich?«, fragte Karl ungläubig.
    Der Grünling nickte.
    »Aber warum schreibt sie mir dauernd, wenn sie mich doch gar nicht kennt?«
    »Die Kindliche Kaiserin weiß genau, wer Sie sind, mein Lieber«, mischte sich Herr Trutz ein. »Und jetzt machen Sie endlich die Kiste auf. Oder soll ich das für Sie tun?«
    Früher hätte Karl vielleicht mit ja geantwortet, aber nun ergriff er die Initiative. Er nahm Flatterich die Schatulle ab, stellte sie neben Albega auf den Schreibtisch und öffnete den Deckel. Obenauf lag ein Brief, in derselben schwungvollen Handschrift, auf dem gleichen schweren, handgeschöpften Papier wie beim

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